Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben. So erging es mir einmal mehr auf meiner 11-tägigen Myanmar-Schiffsreise auf dem Irrawaddy von Mandalay via Pagan nach Pyay (früher „Prome“ genannt). Ich erlebte eine ungewöhnliche Welt. Eine meiner interessantesten und eindrücklichsten Reisen, die ich je unternommen hatte. Am ehesten vergleichbar mit meiner ersten Nil-Fahrt in Aegypten vor ziemlich genau 10 Jahren, als ich mir einen meiner Jugendträume erfüllte und den Nil zwischen Luxor und Assuan bis Abu-Simbel mit all seinen Kunstschätzen und Bauwerken bereiste.
Beide Male war ich mit einem Schiff auf einem grossen berühmten Fluss unterwegs. Diesmal mit der RV Katha Pandaw einem ‚Safari Schiff‘ mit offenem Deck, Speisesaal, Bar und Lounge-Bereiche. Es ist ein kleineres, leichtes Schiff mit einem ultra flachen Rumpf für wenig tiefe Gewässer mit Sandbänken, sowie einem Spezialantrieb, der es ihr erlaubt an Ort und Stelle zu drehen und sich seitwärts zu verschieben. Es hatte nur 16 Kabinen und unsere Reisegruppe bestand aus 30 Personen alle aus englisch sprechenden Ländern, und einem Schweizer.
Damals erlebte ich die eher einfache arabische Welt mit den grossartigen, überwältigenden Tempel und Grabmäler der Aegypter. Und diesmal hatte ich die Gelegenheit die Lebensweise der bettelarmen, aber liebevollen und herzlichen Burmesen kennenzulernen, und als strahlender Gegensatz die abertausenden von wunderbaren teilweise vergoldeten Tempel, Pagoden, Stupas und Klöster auf mich einwirken zu lassen.
Myanmar ist ein Land, das polarisiert. Zeitungen und Fernsehen berichten vom Miltärregime, Wirtschaftsboykott und Menschenrechtsverletzungen. Freunde aus Thailand, die bereits einmal in Burma waren, hingegen erzählten von offenen liebenswerten Menschen, mystischer Landschaft und atemberaubenden Pagoden.
Die ersten kulturellen Unterschiede wurden mir bereits am Flughafen in Yangon bewusst. Die Männer tragen Röcke und kauen als Nikotinersatz Betelnüsse. Die Frauen streichen sich lehmfarbiges MakeUp auf die Wangen, das zugleich als Sonnencreme dient. Auch auf der Strasse ist alles etwas anders. Die meisten der Autos sind deutlich über 20 Jahre alt und wahre Dreckschleudern, zudem sind sie trotz Rechtverkehr rechtsgesteuert (Bem: in Europa sind alle Autos linksgesteuert, d.h. der Fahrer sitzt zur Strassenmitte)
Als ich im Norden Myanmars mit dem Schiff unterwegs war, fühlte ich mich um 200 Jahre zurückversetzt. Autos sah ich fast keine mehr, nur noch chinesische Roller, uralte Fahrräder, Ochsenkarren und Pferdekutschen, sowie Frauen, die schwere Lasten auf ihrem Kopf trugen. Die Einheimischen wohnten als Grossfamilie in einfachsten Hütten mit Wänden aus Bambusgeflechten, Küche, Schlafzimmer, Werkstatt alles im selben Raum. Viele der Dörfer verfügten nicht einmal über elektrischen Strom, von fliessendem Wasser ganz zu schweigen, das holten sie sich aus dem nahen Fluss.
„Golden Land“ wird Mynmar wegen der vielen Tempel genannt. Es sollen über 3’000 sein. Die meisten sind gut erhalten oder renoviert, was der UNESCO gar nicht gefällt, denn wegen mangelhaft ausgebildeter Archäologen sind die Arbeiten stümperhaft ausgeführt. Unzählige der Stupas sind Gold belegt und leuchten im Sonnenlicht kilometerweit. Nicht nur mit Bussen, auch mit Pferdekutschen und Ochsenkarren sind wir von einer Sehenswürdigkeit zu anderen gefahren. Zwei besonders hohe Tempel haben wir sogar bestiegen, was für mich mit Höhenangst geplagt, eine besondere Mutprobe darstellte. Aber als Lohn konnte auch ich den Weitblick rundherum auf die 700 bis 900 Jahre alte Welt von Pagan geniessen.
Ein weiterer unübersehbare Farbtupfer gaben die unzähligen Mönche, Novizen und Nonnen ab. Ueberall kreuzten sich unsere Wege. In fast jedem Dorf gab es ein kleines Kloster, in dem die Kinder bei den Mönchen zur Schule gehen konnten. Diese Aufgabe übernahm der Buddhismus, denn die Militärregierung ist an ausgebildeten Leuten wenig interessiert. Diese sind zu aufmüpfig, weshalb sie auch die grossen Hochschulen weitab von der Bevölkerung neu ansiedelten.
Dass sich Myanmar (Burma) im Aufbruch befindet, erlebte ich in Yangon am 1. Tag meines Aufenthaltes, als unser Reiseführer uns in die Parteizentrale der „Nationalen Liga für Demokratie“ führte, wo ich die Friedens-Nobelpreisträgerin und Partei-Vorsitzende „Aung San Suu Kyi“ mitten unter uns Besuchern entdeckte. Ich glaube, falls wirklich freie Wahlen möglich wären, diese Partei würde die Mehrheit problemlos erreichen, denn im ganzen Lande entdeckte ich versteckte Sympatisanten. Es scheint jedoch immer noch gefährlich zu sein, seine politischen Sympathien allzu offen zu zeigen.
Bei den Burmesen entdeckte ich erstmals, was es heisst, wenn man arbeiten muss, um zu überleben. Um eine 4-köpfige Familie ernähren zu können, müssen je Tag 2-3 Fische im Irrawaddy-Fluss gefangen werden. Ist der Fang grösser oder mit Einnahmen aus zusätzlicher Arbeit als Lastenträger kann man bereits wieder etwas Reis dazukaufen. In meinem eigenen Gedankengang gab es diese Ueberlegungen noch nie. Ich arbeitete immer, um mir etwas „unnötiges“ leisten zu können, und sei es nur ein Kino-Eintritt, ein Buch oder Fernseher, Ferien oder ein Foto-Apparat. Und trotzdem hatte ich den Eindruck, die Leute hier in Burma seien zufrieden. Ihr Buddhismus half ihnen dabei. Sie standen bei Tagesanbruch um 6 Uhr auf und gingen bei Sonnenuntergang nach dem Essen schlafen. Und überall sah man lachende Kinder, aber herzlich wenige alte Leute. Wo waren die wohl? Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt nur 65 Jahre, die in der Schweiz 82 Jahre, habe ich im Internet nachgelesen.
Die Burmesen sind eher etwas scheu und unaufdringlich, aber herzliche, wenn sie uns Fremde bei sich sahen, als ob wir von einem anderen Stern kamen Ob jung oder alt, alle winkten und riefen „Hello“ oder „Mingalaba„, den Gruss der Burmesen. Vielleicht eine Reaktion darauf, dass sie jahrzehntelang von der Aussenwelt abgeschottet waren. Auf meiner ganzen Reise sah ich ausserhalb Yangon herzlich wenige Touristen.
Mein illustrierter Reisebericht
In der Zwischenzeit habe ich meinem Reisebericht beendet. Eine Rückschau auf meine Erlebnissen und Eindrücken, illustriert mit einer Auswahl meiner besten Fotos, wobei mir wirklich einige einmalige Impressionen gelungen sind. Darin könnt ihr auch nachlesen, wie ich mich vor den für mich unerwartet tiefen Nacht-Temperaturen von 16-19°C schützte, wie ich mitten auf der Reise eine Magen-Darm-Grippe innert 30 Stunden überwand, und die mehrstündige Bus-Heimfahrt nach Yangon und den Rückflug nach Thailand trotz hohem Fieber überstand.
Den endgültigen Bericht findet Ihr wie gewohnt über meine Homepage resp. mein Thailand-Tagebuch, oder direkt durch anklicken des nachfolgenden Links
» http://www.maxlehmann.ch/thailand/2013-thailand/2013-myanmar.htm «