Mein Jahresrückblick 1993 |
Binningen, 31. Dez. 1993 |
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Wie schnell vergeht doch die Zeit. Wie schnell vergisst man! Wie schnell gewöhnt man sich an einen Zustand! 2½ Jahre dauert bereits der Krieg in Jugoslavien. Seit 5 Jahren bin ich (mehr oder weniger) wieder Single. Seit ½ Jahren wohnt Katja bei mir und ich werde am diesjährigen Silvester 51 Jahre alt.
Am 31. Dezember vor einem Jahr konnte ich im Kreise von 20 Freunden, 3 Kindern und 1 Ungeborenen (im 2. Monat) aus aller Herren Länder (Deutschland, Holland, Slowenien, München, Baselland) meinen 50. Silvester feiern. Ganz besonders gefreut haben mich der Besuch von Rudi und Mausi Hofmann aus Köln, sowie meiner Schwester Christine Graf mit ihrem Arnold und Kindern aus Rebstein im St.Galler-Rheintal.
Grosse Freude haben mir meine Freunde bereitet, weil sie keine Mühe gescheut haben, mir einen unvergesslichen Abend zu bescheren.
Begonnen hat alles bereits am Abend des 30. Dezembers um 22:30 Uhr mit einem echten Erdbeben der Stärkeklasse 4.5.
Am 30. musste ich mein Zuhause Monica, Bogdan und Daniela überlassen, denn sie wollten mein Heim mit Graffitis und Crêpe-Papier-Blumen und -Schleifen schmücken. Sie (d.h. Monica) "entlehnten" sich die grosse goldene Schleife für den x-millionsten Fluggast vom Flughafen Basel und schmückten damit meine Haustüre.
Eine einzigartige, historische Grosstat vollbrachten Ruth, Lothar und Fritz, die herausfanden, dass ich im chinesischen Jahr des Pferdes geboren wurde. Zur optischen und geschmacklichen Untermalung brachte Lothar sogar einige echte, tiefgefrorene Pferdeäpfel mit, die er während des Konzertes im Stadt-Casino nicht unter seinem Stuhl inmitten des Orchesters versteckte, sondern in der Garderobe!!
Fritz hat mir ein persönliches Jahres-Horoskop angefertigt, das ausser im Punkt "Liebe" ziemlich zugetroffen ist. Ich meine: Fritz sollte, sobald die Araber die gesamte Wüste tapeziert haben, auf die Herstellung und den Vertrieb von Horoskopen diversifizieren. Oder eine jährliche Horoskop-Tapete auf den Markt werfen? Jedes Jahr neu!
Es zeugt zwar nicht von grosser Phantasie, 11 mal in Bellwald die Skiferien zu verbringen, aber es ist hier oben so gemütlich und erholsam. Diesmal bestand die Expedition aus Daniela und Isabelle Frede, Katja und ihrem Reto, der am 5. März seinen 20. Geburtstag feierte. Und wiederum machten Daniela und ich eine Stipp-Visite an die Basler-Fasnacht: Um 4 Uhr waren wir am "Morgestraich" und nachmittags genossen wir den Umzug ("Cortège" genannt), bevor wir wieder nach Bellwald zurückfuhren.
Wenn Ihr die berühmten "heiligen Wasser" im Wallis sehen wollt, dann kann ich die wunderbare 5-7-stündige Wanderung von Hohtenn nach Visp bestens empfehlen. Die teilweise in den Fels gehauenen Wasserleitungen den steilen Hängen des Wallis entlang, die seit Hunderten von Jahren für die Bewässerung der Felder benutzt werden, sind beeindruckend.
Wenn ich jetzt, beim Schreiben dieses Berichtes aus dem Fenster schaue, dann ist es kalt, es schneit und auf den umliegenden Hügeln liegt Schnee. Meine Erinnerungen sind jedoch in der Wärme auf Solaris, wo ich dieses Jahr fast alle meine Freunde wieder traf.
Der Schreck bei der Abfahrt, als wir feststellten, dass Daniela die Identitätskarte zu Hause vergessen hatte, blieb glücklicherweise der einzige Schreck. Die Irrfahrt in und durch Triest blieb eine Episode, die durch die vielfältige Schreibweise der Wegweiser wie Jugoslavia, Istria, Croatia, Koper, Capodistria etc und deren unterschiedlichen Richtungen nicht verwundern durfte.
Es gab wieder ein paar Geburtstage zu feiern: der des Reinhardt aus München und wie gewohnt der von Doris aus BL (=Balingen und nicht Baselland). Als Bewacher des Bratens zu Ehren von Doris wurde ich ausersehen und bewaffnete mich zu diesem Zweck mit einem Glas Wein und der dazu gehörenden Flasche.
Pfifferlinge oder Eierschwämme, wie wir diese geschmackvollen Pilze nennen, bildeten mehrmals zusammen mit Reis eine wunderbare Malzeit. Als wir Mausi und Rudi einluden, ich kann es ja nun beichten, rutschte mir die Pfanne mit 1 kg essbereiten Pilzen vom Gas-Rechaud auf den Boden. Ich reagierte geistesgegenwärtig, schöpfte die Pilze samt Sauce vom Boden in die Pfanne zurück, kochte kurz nochmals auf und servierte den hungrigen Gästen "das Spezial- Menue à la Max".
Die Wiederholung des letztjährigen Ausfluges zu den beiden berühmten und sehenswerten Bergdörfern/-Festungen Motovun und Groznjan wurde zu einem unerwarteten Erlebnis, denn zum ersten Mal erlebten wir die indirekten Auswirkungen des Krieges für die Bevölkerung: Der Fremdenverkehr war zusammengebrochen, Hotels, Gallerien und Geschäfte waren geschlossen. Es fehlte in Motovun das Geld für den Unterhalt der Parkanlagen, wobei dies nicht erstaunte, wenn man für einen guten echten Espresso im besten Hotel nur 25 Rappen bezahlen musste.
Der internationale Tennis-Match des Jahrhunderts um die Tennis-Vorherrschaft auf Solaris zwischen Lucio aus Leifers/Italien und mir hat endlich stattgefunden: die erste Begegnung gewann Lucio bei starken Sturmböen 6:0, 4:6, 6:2. Die Revanche bei regulären Verhältnissen musste nach 1 Stunde bei unentschiedenem Stand von 6:6 abgebrochen werden, weil der Platzwart den Tennisplatz spritzen wollte! Warum nannte man mich von nun an wohl "Speedy Gonzales"?
Schlussendlich darf die Fortsetzung der Liebes-Geschichte von Daniela und Maurizio aus Triest nicht verschwiegen werden. Oh, wie habe ich die beiden doch benieden!
Wie Ihr alle wisst, nimmt der aktive Sport in meinem Leben eine wichtige Rolle ein. Ich brauche die Bewegung und den Ansporn, mich zu messen. Auch dieses Jahr ging es mit meinen Tennis- Künsten wieder ein wenig aufwärts.
Am 4. September gewann ich mein erstes Tennis-Turnier und damit meinen ersten Pokal, das Trost-Turnier der offenen Herren-Meisterschaften des Tennisclub Birsmatt (im Final gegen den Studenten Philip Walter 6:3, 6:2).
Unvergesslich bleibt aber auch meine Niederlage in einem verrückten Spiel gegen Philip Graf mit 6:1, 1:6, 6:1.
Das unbeschwerte und etwas verrückte Leben, die prächtigen Tahiti- und Pampelonne-Strände, die interessanten und attraktiven Leute, sowie die wunderbare Lage der kleinen Hafenstadt St.Tropez haben mich schon immer fasziniert.
Diesen Herbst hat es mich wieder einmal gepackt. Der Wohnwagen wurde angehängt und ab ging es zusammen mit Vreni in Richtung Süden auf den Zeltplatz Les Tournels bei Ramatuelle. Seine terrassenförmig angeordneten Standplätze erlaubten einen weiten Blick über das Hinterland und die Bucht von Pampelonne.
Wir haben vieles erlebt: himmlisches Essen und prickelnde Atmosphäre, eine zugelaufene schwarze Kleiderpuppe in Port Grimaud, abschüssige Gässchen in Fayence, schöne und elegante Menschen, libanesisches Essen in Gogolin, beeindruckendes Vasarely-Museum in Aix-en-Provence, beängstigendes Hochwasser und unheimliche Überschwemmungen im Rhone-Tal.
Das Chaos ist nun perfekt, denn ununterbrochen spricht Monica vom Max oder hat ein "Rennen" mit dem Max oder ruft nach dem Max oder telefoniert mit dem Max oder träumt vom Max oder schwärmt vom Max. Ich zucke jedesmal zusammen und weiss nicht mehr, wo der Kopf mir steht; aber es geht nicht um mich, sondern um Max, den Freund von Monica.
Seit 1. April wird in Binningen eine Sackgebühr erhoben. Ein 35 Liter Sack kostet nun Fr.1.90. Um nicht hunderte dieser Säcke abfüllen zu müssen, trennte ich mich im letzten Moment von meinem alten Tumbler, Holzplatten, Lättlirosten, Tischen, Schränken, alten Skis, Auto-Pneus und meiner 4 m langen Wohnwand, die ich zersägte und mit vielem anderen auf das Trottoir stellte.
An der diesjährigen Mustermesse liess ich mir Nähmaschinen vorführen. Weil ich nur meine Jeans kürzen resp. nähen wollte, entschied ich mich trotz der bedauernden, mütterlichen Ratschläge der Demonstrantinnen für ein eher günstigeres Modell mit weniger vollautomatischen Zier- und Kunststichen. Die Maschine sollte ja nur auf der Blue-Jeans- Naht "anfahren" können.
Im letzten Jahresbericht habe ich über die Hochzeit von Anette und Fritz Gerber berichtet. Am Silvester 1992 war sie im 2. Monat und am 14. Juli um 18:30 Uhr war er da, unser Felix Gerber.
Ich bin stolz auf meine beiden Töchter Katja (19 Jahre) und Daniela (16 Jahre). Beide werden immer hübscher und "angepasster". Es ist ein Vergnügen, mit ihnen etwas zu unternehmen. Katja fuhr im Sommer für 4 Wochen nach La Rochelle (F), um ihr Französich zu verbessern" und Daniela tat dasselbe in Château-d'Oex.
Am 23. September wurde Daniela am linken Fussgelenk operiert. Sie musste sich ihre ausgeleierten Gelenk-Bänder kürzen und ein abgesplittertes Knochenstück entfernen lassen.
Dank der Todesanzeige seines Vaters traf ich nach 40 Jahren einen "alten" Schulfreund aus meiner Primarschulzeit im St. Johann-Schulhaus beim Lehrer Säuberlin wieder, den Giorgio Bevilacqua. Es ist erstaunlich, wie wir uns verändert haben: Giorgio trägt eine Glatze und ich ..... Wir beschliessen, ein Klassentreffen zu organisieren.
Nach dem Eröffnungs-Konzert im Stadt-Theater vom 14. August, an dem Querschnitte durch die Musikproduktionen der Saison 93/94 gespielt wurden, fuhr ich auf der Dorenbach- Kreuzung einem BMW 525 in den Hintern, weil er falsch fuhr und für mich unverhofft auf dem Tramgeleise bremste. (Wer war wohl das grössere Rindvieh?) (Nachtrag von Max: Der Besitzer dieses BMW hat im 2001 mein Haus an der Bollwerkstrasse gekauft!)
Meine Muter ist inzwischen 82 Jahre alt und immer noch rüstig. Leider lassen seit ein paar Monaten die Sehkräfte Ihrer Augen nach. An meinem Geburtstag hat sie mir ein wunderschönes Gedicht gewidmet, dessen erste zwei Zeilen ich Euch allen als Neujahrswunsch entbieten möchte:
Mit vielen lieben und herzlichen Grüssen
Euer Max Lehmann
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