3. Nov. 2017: Bericht über meinen glimpflich verlaufenen Unfall mit dem Rennrad (Thailand)
(Teil meiner Autobiografie "Ich habe gelebt !" Letzte Aenderung: Version 1.5 vom 7. April 2021)

Zur Begrüssung von Ernie Hague aus Kitimate (Kanada) am 3. Nov. 2017 sollte es eine typische Dienstags-Ausfahrt zur Dolphin Bay werden, gemütlich und in einem moderaten Schnitt zwischen 25-27 km/h. Aber es kam anders. Beim Bahnübergang 13 km nach dem Start schmiss es mich auf die Strasse. Ich sah schrecklich aus. Aber mein Zustand besserte sich von Tag zu Tag. Die gebrochene Hand beeinträchtigte mich am meisten. Gemäss Arzt soll ich 6-8 Wochen nach dem Unfall wieder aufs Rad steigen können. Am 31. Dez. 2017 zu meinem 75. Geburtstag machte ich die erste Ausfahrt zur Dolphin Bay über 75 km, für jedes Lebensjahr 1 km.

 

Als erstes ein Dankeschön an all die Helfer der Hua Hin Roadies, ganz speziell Nick Bloy und John Pyke aus Canada. Ihr wart grossartig

First, I thank to all the helpers of the Hua Hin Roadies, especially Nick Bloy and John Pyke from Canada.You were great

Der Unfall

Es war Freitag, 3. Nov. 2017 um 07:30 Uhr. Zwei Tage nach dem in Thailand intensiv gefeierten Halloween. In einer mittelgrossen Gruppe der Hua-Hin Roadies startete ich zur geplanten "gemütlichen Dolphin Bay Ausfahrt". Zusammen mit dem eben erst aus Kanada angereisten Ernie fuhren wir den Radweg entlang, bogen dann nach links ab in Richtung Khao Tao zum Bahnübergang, etwa 13 km ausserhalb Hua Hins. Dort um 07:55 Uhr hat es mich auf die Strasse geschmissen. Diesen Bahn-Uebergang bin ich bestimmt schon 100x gefahren und wusste, wie gefährlich es ist, mit dem Vorderrad zwischen die Beton-Platten einzufädeln. Es war nie ein Problem die ungefähr 70 cm breiten Platten zu treffen. Aber diesmal ging alles schief. Ich muss ein paar Sekunden unkonzentriert gewesen sein. Das Vorderrad hängte ein, wie in einer Tramschiene. Ich flog übers Rad Kopf voran aufs Gesicht und auf die Strasse.

Meine ersten Gedanken: Ist etwas gebrochen? Die Beine? die Arme? das Schlüsselbein? Alles liess sich bewegen. Aber ich blutete fürcherlich. Schon bald standen ein paar Freunde bei mir. Drehten mich sorgfältig auf den Rücken, legten meinen Kopf auf den Rucksack von Nick und begannnen mich zu beruhigen und das Blut zu stillen. Vorallem John aus Canada und Nick Bloy waren bewundernswert, einfach grossartig. Es ist schon interessant, wie sich gewisse Leute in solchen Situationen unverhofft als Profis outen.

Sturz auf dem Bahnübergang: Erste Hilfe

Meine beiden grossartigen Samariter Nick Bloy und John Pyke

Ich lag am Boden bei vollem Bewusstsein. Unverzüglich hielten die Thais an und sperrten die Unfallstelle ab. Eine jüngere Thai-Frau fragte nach dem Spital, in welches ich gebracht werden wollte. "Bangkok-Hospital" meinte ich, denn dieses ist ganz in der Nähe von mir. Prächtig, meinte sie, denn sie arbeite dort.

Eingeladen und festgeschnürt in der Ambulanz
(Klick aufs Bild für volle Grösse)

Man beachte die gelbe Bahre aus Kunststoff,
sie war hart wie Stein
Ursache des Unfalls
(Klick aufs Bild für volle Grösse)

In diese 2-3cm breite Rille bin ich gefahren

Und nun kam etwas zum tragen was ich vorbereitete und immer auf mir trug, aber hoffte nie zu gebrauchen: meine "Notfall-Plastik-Tasche". Sie ist neben dem Handy mein wichtigstes Objekt. Einer meiner Freunde fand sie in meiner Rückentasche des Rennshirts und entnahm ihr meine Mitgliedskarte vom Bangkok Hospital und bestellte die Ambulanz. Nach etwa 15-20 Minuten war der Krankenwagen an Ort und Stelle. Sie luden mich auf die harte ungepolsterte Plastik-Pritsche und schoben mich in's Fahrzeug. Dann begann mit Blaulicht und Horn die Fahrt meines Lebens die rund 13 km nach Hua Hin. Ich war zwar auf der Pritsche angeschnürt, aber es schlug mich links und rechts an. Nick Bloy, der die ganze Zeit mich begleitete, meinte nachher, er hätte noch nie eine solch rasante Fahrt erlebt, obwohl es ja in meinem Fall nicht um Tod oder Leben ging.

Im Bangkok Hospital

Als ich im um etwa 9 Uhr im Spital ankam, war das erste was ich zu sehen bekam, ein Papier mit meinem Foto und allen wichtigen Angaben wie Geburtsdatum und Wohnadresse in Hua-Hin. "Sind Sie das, Mr Max?" wurde ich gefragt. Als ich bejahte, wurde ich direkt in eine Kabine der Notfall-Aufnahme geschoben. Die Behandlung und die Untersuchungen begannen unverzüglich und resultierten in der Diagnose: Bruch der linken Hand und Nase, sowie unzählige Wunden. Die an der rechten Hand waren relativ harmlos. Oberhalb der rechten Augsbraue musste ein tiefer Cut mit 10 Stichen, über der Nasenwurzel mit 7 Stichen und der rechten Oberlippe mit deren 5 also total mit 21 Stichen genäht werden. Mehrmals wurde ich geröntget, bekam um die linke Hand einen Gips und wurde voll bepflastert. Nach 4 Stunden wurde ich nach Hause entlassen.

Ich sah aus wie eine Halloween-Maske, aber eben 2 Tage verspätet.... oder wie ein Boxer, der von Sonny Liston über 12 Runden vermöbelt wurde.

Bereits im Spital realisierte ich mein Glück im Unglück. Es hätte viel schlimmer kommen können. Was wäre, wenn ich das Schlüsselbein oder gar den Oberschenkel gebrochen hätte? Ueber Facebook informierten ich und Nick Bloy meine Freunde über meine Verletzung und gaben auch Entwarnung.

Nicht behandeln liess ich mein linkes Bein resp. Knie das mir anfänglich etwas Sorge bereitete, denn ich hatte keine Kraft und konnte es nicht richtig bewegen. Wahrscheinlich habe ich das Knie ausgedreht, als ich aus dem Klick-Pedal (ähnlich einer Sicherheitsbindung am Ski) krachte. In der Zwischenzeit kann ich wieder eingermassen gehen. Am Morgen nach dem Unfall brauchte ich noch etwa 1 Stunde, um mir Socken, Hosen und ein Hemd anzuziehen. Das BKK-Hospital ist etwa 1 km von meinem Haus entfernt. An diesem ersten Morgen rechnete ich dafür eine Wanderzeit von 1 Stunde. Aber ich war überraschend bereits nach 20 Minuten dort. Am 6. Tag brauchte ich weniger als 10 Minuten. In der Zwischeinzeit (nach 6 Wochen) ist mein Knie wieder in vernünftigem Zustand.

Auch mein Kinn liess ich nicht behandeln, das beim Aufprall auf der Strasse einen harten Schlag knapp neben dem KO-Punkt und der Soll-Bruchstelle hinnehmen musste. Daraus resultierte wackelnden Zähne, die sich aber innert einer Woche festigten. Dies hätte gerade noch gefehlt, ein kaputtes Gebiss..

Mein verlorenes Mobil-Phone

Wie beschrieben, ich war beim Sturz bei vollem Bewusstsein und keine Sekunde bewusstlos. Mein Hirn arbeitete wie verrückt, als ich da lag. Ich machte Inventar. Dabei realisierte ich, dass mein Mobil-Telephon beim Sturz aus der Rückentasche geflogen sein musste. Alle suchten danach, aber sie fanden nichts. Dieses Handy war wichtig für mich, denn darüber liefen meine Bankgeschäfte. Dann kam ich auf die Idee, dass jemand aufs Handy anrufen sollte. Ich wusste meine eigene Nummer jedoch nicht auswendig. Aber Nick fand sie in meiner "Notfall-Plastik-Tasche" und bereits nach kurzem klingelte es 2m entfernt im hohen Gras neben der Strasse.

Nach 4 Std. im BKK Hospital wurde ich nach Hause entlassen
(Klick aufs Bild für volle Grösse)

Ich bin zusammengeklebt und warte auf die Rechnung

Nach 7 Tagen war Halloween vorbei

Alle 1-2 Tage wurde ich zur Kontrolle und Erneuerung der Verbände ins Bangkok Hospital vorgeladen. Ich bekam einen Termin und musste nie länger als ein paar Minuten warten.

Am Donnerstag, 9. Nov. 2017 hat mir die Chirurgin die 21 Nähte entfernt. Ich habe praktisch nichts gespürt. In der Beziehung sind die Thais Weltmeister. Ob sie nun ein Pflaster oder einen Faden entfernen, sie verfügen über feine und gefühlvolle Hände, als würden sie die Schmerzen selber fühlen..

Meine Notfall Plastik-Tasche

Ohne diese, wäre ich total aufgeschmissen gewesen. Sie enthält alles wichtige, was ein Single aber auch ein Ehemann in einem fremden Land braucht: Kopie des Passes und Visum, sowie Krankenkassen-Karte, Mitgliedskarte Bangkok-Hospital, Liste mit den wichtigsten persönlichen Informationen über Wohnort/Strasse, Telephon-Nr, Blutgruppe, Medikamente, Allergien, Kontaktpersonen in Thailand und in der Schweiz, etwas Reserve-Geld und die eigene Visitenkarte etc.

Spitex auf Thailändisch

Wenige Tage vorher habe ich mit Maleena, meiner Hauseigentümerin und Vermieterin, den Worstcase eines Unfalls durchbesprochen. Und nun brauchte ich bereits ihre Hilfe im täglichen Leben, obwohl ich fast keine Schmerzen hatte. Ich hätte dies nie geglaubt, mit nur 1 brauchbaren Hand, die andere im Gips, war ich stark eingeschränkt. Mich selber konnte ich nass abduschen, aber ohne Duschgel. Geschirrabwaschen ging gar nicht. Einkaufen ging nur beschränkt in unmittelbarer Nähe und in tragbarer Grösse. Kaffee konnte ich kochen, aber keine Malzeiten, denn ich konnte nicht rühren und gleichzeitig die Pfanne halten. Ich konnte auch keinen Salat schneiden. Das Essen ging, weil in Asien fein geschnittene Portionen üblich sind. Ein Schnitzel hätte ich mit einer Hand niemals schneiden können. Deshalb war ich auf die Hilfe von Maleena angewiesen. Sie kam alle 1-2 Tage, putzte, brachte Lebensmittel und frisches Essen mit.

Was habe ich gelernt und was hat sich bewährt

Durch den Sturz aufs Gesicht waren mein Helm und die Sonnenbrille einesteils der beste Schutz, aber auch der Grund für die gravierende Gesichtsverletzungen. Die Sonnenbrille hat meine Augen beschützt, aber die Nase gebrochen und die beiden Cuts oberhalb des Auges und Oberlippe verursacht.. Der Helm hat mich vor noch viel Schlimmerem bewahrt, meinte der Arzt. Er war vorne durch den Aufschlag zerbrochen! Ein Vollsichthelm, den es bereits gibt, hätte mich bessser geschützt.

Es ist erschreckend, dass es immer noch Leute gibt, die ohne die minimalste Sicherheitsmassnahmen wie Helm und mobiles Telefon mit dem Rad fahren. Aber gegen Dummheit kämpfen sogar Götter vergebens.

Die minimalsten Sicherheitsmassnahmen:

Meine Heilungsfortschritte

Abschlussgedanken

Das Bangkok Hospital ist ein professionelles Privat-Spital. Alles klappte wie am Schnürchen. Für jede Fakultät wurde (auch in der Notfall-Abt.) ein anderer Arzt zugezogen. Ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt für meine gebrochene Nase, einen Orthopäden für meine demolierte Hand und einen Chirurgen für die verschiedenen Cuts. Manchmal wusste ich zwar nicht, ob es sich bei der behandelnden Person um einen Arzt, einen Assistenz-Arzt oder Krankenschwester handelte, aber an der Arbeit konnte ich wenig aussetzen.. Einzig in der Notfall-Abteilung war deren Funktion mit grossen Buchstaben auf dem Rücken des Mantels oder Jacke angeschrieben.

Eine grosse Schwäche haben die Pflegekräfte ausserhalb der Notfall-Aufnahme: Sie können kein haltbares Pflaster anbringen. Die meisten Pflaster musste ich nach wenigen Stunden selber überkleben oder es auswechseln. Die Profis in der Notfall machten es hingegen exzellent.

Ueberrascht, ja beeindruckt war ich ob der vielen aufmunternden Reaktionen auf die Facebook-Unfall-Einträge. Es müssen weit über 100 aus der ganzen Welt gewesen sein. Danke allen 1'000-mal. Dankbar und hocherfreut bin ich auch ob der vielen Hilfe-Angebote meiner internationalen Freunde in Hua-Hin. Die Einen brachten mich per Auto zum Essen, andere besuchten mich, oder boten an, mir im Haushalt zu helfen. Ich fühlte mich nie allein gelassen!

Am meisten geärgert hat mich, dass ich wegen des dummen Unfalls nicht mit Kathleen Weinreich, Max Hürzeler und Tony Rominger ausfahren konnte. Im Nachhinein hätte dies auch nicht geklappt, denn es regnete an den Folgetagen wie aus Kübeln. Scheinbar musste es so sein.

5. Nov. 2017: Ein Selfie mit Kathleen Weinreich und Tony Rominger
(Klick aufs Bild für volle Grösse)

Mit ihnen und Max Hürzeler wollte ich ein paar Ausfahrten machen

Interessant im Rückblick sind die Spitalkosten

Die Spital-Kosten für den ganze Unfall blieben unter 2'000 Euro. Ich weiss nicht, welche Kosten bei ähnlichen Verletzungen in der Schweiz entstanden wären. Ich habe mir sagen lassen, dass allein der Krankenwagen in der Schweiz weit über 800 Fr. gekostet hätte

Ich bin mit meinen Kranken- und Unfall-Versicherungen auch im Ausland gedeckt. Was ich jedoch nicht wusste, dass die meisten dieser Versicherungen bei ambulanten Behandlungen wie in meinem Falle, keine Kostengarantie gegenüber dem Spital aussprechen. Der Patient muss die Kosten übernehmen und anschliessend der Versicherung einreichen. Anders sieht es aus, sobald der Patient stationär im Spital liegt, also minndestens 1x übernachtet. Die Abklärungen zwischen Spital und meiner Krankenkasse erfolgten sehr schnell, d.h. innert 1-2 Stunden, denn die Kassen haben einen 24-Std-Service.

 

Autobiografie von Max Lehmann
Schafmattweg 13, CH-4102 Binningen
Jump to (1 kB)

Zur Homepage
http://www.maxlehmann.ch
Jump to (1 kB)

Zur Autobiografie
https://www.maxlehmann.ch/memoiren