Karte Kosovo - Albanien |
Nach 2003, 2007 und 2015 machte ich mich dieses Jahr zum vierten Mal auf in den Kosovo zu den Schwiegereltern meiner Tochter Daniela, die zu dieser Zeit mit ihrem einheimischen Mann Eshref und den beiden Kindern Leon und Anina in Sushica in den Ferien weilte. Auch dieses Mal war wiederum viel los. Ich war jeden Abend todmüde ob der vielen Erlebnisse.
Rückblickend waren es sehr anstrengende Tage. Die vielen ungewohnten Eindrücke und Erlebnisse ermüdeten mich stark. Alle wollten mich als Oberhaupt der Lehmann-Familie begrüssen und sehen. Ich erlebte ein für mich ungewohntes Gefühl, den man hier älteren Leuten und vorallem den "Alten" entgegenbringt, den Respekt. Erstmals habe ich realisiert, dass ich zu den "Alten" gehöre und habe diese Situation ausgelebt und mich verwöhnen lassen. In der Tat, ich bin der Aelteste der Lehmann-Familie. In meinem Kulturkreis kennt man diese Art von Respekt nicht mehr. Wen verwundert es, dass sogar in meiner Familie ich nur von einer Seite respektiert werde.
Zu diesem Respekt gehörte es auch, dass ich das Schlafzimmer meines Enkels Leon benutzen durfte, derweil er zu seiner Schwester Anina wechseln und auf einem Schlafsofa schlafen musste. Leon hatte zu keiner Zeit auch nur die geringste Andeutung gemacht, dass er wegen mir während seiner Ferien aus seinem Buben-Zimmer ausquartiert wurde.
Immer war etwas los. Entweder sass man mit der engeren Familie beim russischen Tee zusammen oder war inmitten des gesamten Clans beim Grillieren oder an einer grossen Party. Ich erinnere mich nur an einen Abend, an dem wir im engeren Familien-Kreise zusammen sassen und wenig los war. Die meisten Abende waren sehr anstrengend. Dann sassen die Familien zu 20 oder mehr zusammen und erzählten sich gegenseitig lustige Geschichten in albanischer Sprache. Ich verstand dabei kein Wort und kämpfte oft gegen den Schlaf. Diese Momente waren mühsam. Einmal verzog ich mich ins Zimmer, ohne dass es die meisten bemerkten, während der Rest bis am Morgen gegen 2 Uhr zusammen lachte und schlussendlich noch 3 frisch geschlachtete Hühner verspeisten.
Die Höhepunkte meiner 10 Tage im Kosovo waren das Hochzeits-Fest bereits am 2. und 3. Tag, dann die grosse Grillparty der Familie Pajaziti, die Besichtigung der Erz-Aufbereitungsanlage etwas ausserhalb Gracanica und schlussendlich Leon's grosses Beschneidungs-Fest "Synet".
Gegen 9 Uhr startete ich in Istrien (Kroatien) vom Campingplatz Solaris in Richtung Ljubljana (Slowenien), wo ich mein Auto in der Garage von Matjaz abstellen konnte. Er brachte mich auf den nahen Flughafen zum Flug mit der Adria Airways nach Pristina. Für die rund 630 km Luftlinien brauchte die Maschine etwa 1¼ Stunden. Mit dem Auto in den Kosovo wären es gegen 1'300 km gewesen. Mein Pech war, dass die Adria Airways bekannt für Verspätungen ist. In meinem Fall waren es 1½ Stunden. Dank Handy konnte ich Daniela und Eshref als mein Empfangskomitee in Pristina vorwarnen.
Im Hyunday holten sie mich am Flughafen ab. Es war etwas kühler als in Istrien. Zu Hause im Elternhaus von Eshref in Sushica gab es als Begrüssung türkischen Tee, den ich so liebe .... und die Orientierung über das Programm der nächsten Tage.
Zum besseren Verständnis führe ich hier die wichtigsten Personen auf, die in meinem Erlebnis-Bericht vorkommen:
Die Eltern von Eshref, Nehat, Etem und Luda Klick aufs Bild für volle Grösse | |
Gani und Elfete Krasniqi haben 4 Kinder. Die 3 Söhne Etem, Eshref und Nehat, sowie die Tochter Luda
Daniela und Eshref mit Kindern anlässlich des Synet von Leon Klick aufs Bild für volle Grösse | |||
Nehat und Merita mit Kindern Klick aufs Bild für volle Grösse | |||
Etem und Luda (Klick aufs Bild für volle Grösse) | |||
anlässlich der muslemischen Zeremonie der Synet von Leon |
Der Kosovo ist eine eigene Welt. Er wurde in wenigen Jahren vom Mittelalter in die Neuzeit katapultiert. Auf Schritt und Tritt fiel mir dies auf. Ich erlebte in den 10 Tagen manch unerwartete Geschichte:
Täglich oder mehrmals täglich fiel das eine oder andere Medium aus. Manchmal auch beide gemeinsam. So konnte ich oft nur mit einem SMS antworten, das ich automatisch in der kurzen Zeit verschicken konnte, sobald die Tf.-Verbindung wieder ein wenig funktionierte. Erstaunlich war, dass das "labile" Internet die Batterie-Kapazität meines Samsung Handys richtiggehend auffrass, als ob das Handy ununterbrochen nach einer Verbindung suchen würde. Nach 1-2 Stunden war die Handy-Batterie leer.
Auch dieses Mal entdeckte ich wiederum unzählige neue Häuser. Neue oder frisch gebaute Häuser erkannte ich daran, dass sie noch nicht verputzt waren. Sie waren noch im Rohbau. Im Umkreis von Pristina entstanden grosse feudale Geschäfts- und Einkaufszentren. Für die meisten Einheimischen waren deren Angebote unbezahlbar, aber die "reichen" Ausländer (=im Ausland arbeitende Kosovaren) und die KFOR-Angestellten konnten sich hier wie zu Hause fühlen.
Das Strassennetz hat sich in einer unerwarteten Weise modernisiert. Wo vor wenigen Jahren noch holprige Naturstrassen zwei Orten verbanden, ist nun fast alles asphaltiert. Autobahnen verbinden die grösseren Zentren. Nach Albanien fährt man nun in 3 Stunden.
Der erste Eindruck war jedoch falsch. Ein grosser Teil der männlichen Jugendlichen hat keine Arbeit im Kosovo. Um zu Ueberleben, müssten sie in den Norden immigrieren. Aber dieser Weg ist zur Zeit geschlossen wegen der Flüchtlinge aus dem nahen Osten. Eine mir schwer verständliche Situation. Anstatt unterentwickelten europäische Ländern zu helfen, bezeichnet man sie als "sichere Herkunftsländer" und lässt deren Einwohner auf tiefstem Niveau dahin vegetieren.
Es ist Sommerzeit, Ferienzeit. Die im Ausland arbeitenden Kosovo-Albaner kommen nach Hause und besuchen ihre Familien. Die Kosovo-Albaner sind Auto-Narren. Vor wenigen Jahren waren es die schnitttigen aufgetunten und tiefgelegten Autos in gelber und rotes Farbe. Zur Zeit sind weisse und schwarze Edel-Modelle führend. In wenigen Ländern und zu keiner Zeit sieht man so viele luxuriöse Autos beisammen, wie im sommerlichen Kosovo. BMW-X5, Porsche Cayenne, Audi-6 und 8, Volvo-XC90 und V90, Mercedes ML320, BMW-5er in M-Ausführung. Man führt seinen ganzen Stolz vor, seinen Besitzstand, den man sich am Munde abgespart hat. Alles wird diesem Status-Symbol untergeordnet. Es stört niemanden, dass man die schönsten und teuersten Autos vor den günstigsten Restaurants und Erlebnisparks findet, in denen man für wenige Euros Schnitzel-Pommes-Frites zu essen bekommt.
Viele der Kosovaren sind nicht reich an Geld, aber sehr reich an Güte und Herzlichkeit. Es ist unglaublich, wie herzlich sie zu mir waren. Man gab mir alles und machte bereits Pläne für meinen nächsten Besuch: "Wir werden für Dich einen Truthahn schlachten!" oder "Wenn mein Sohn heiratet, musst Du einfach kommen", meinte Enver.
Enver hat mir bei meinem ersten Besuch im 2003 das damalige Kosovo gezeigt. Mit seinem Auto fuhren wir zu den Massengräbern und in die Berge nahe der albanischer Grenze. Wir konnte uns nur mit unseren Fingern verständigen. Er konnte kein Deutsch oder Englisch sprechen und verstehen, ich hatte keine Ahnung von der albanischen Sprache. Als er mich in ein Restaurant einlud, war der dortige Wirt überrascht, wie wir miteinander uns verständigten und er für mich bestellte. "Wie kannst Du bestellen, wo Du doch seine Sprache nicht verstehst?" fragte der Wirt. Enver sagte: "Ich spüre es!" Seither vereint uns eine herzliche Seelenverwandtschaft. Diese Geschichte erzählt Enver immer wieder, wenn wir in der Familie zusammensitzen.
Essbesteck: Messer und Gabel kennen die Kosovaren nicht. Einzig Löffel brauchen sie, um Suppen zu essen. Gegessen wird von Hand mit einem Stück Brot als Greifwerkzeug. Interessant wird es, wenn die Kosovaren in einem Restaurant oder an einer Hochzeit mit Messer und Gabel essen sollten. Sie benutzen beides wie ein Werkzeug. Dies sieht dann köstlch aus, wenn sie ein Stück Fleisch zu schneiden versuchen, ohne dabei mit der Gabel das Fleisch zu halten.
Teekrug |
Noch letztes Jahr assen wir 3x je Tag. Dieses Jahr haben wir es auf 2x reduziert. Um 11 Uhr und gegen den Abend. "Max, komm zum essen" lautete der Ruf. Dann assen wir am runden Tisch in der Küche. Vorher aber ging es zum obligatorischen Waschen der Hände, weil man von Hand isst.
Mehrere Schalen und Teller mit leckerem Inhalt standen auf dem Tisch: Fleisch selber geschlachteter Hühnchen oder eines jungen Rindes, weisse Peperoni roh oder gedämpft, Kuhmilch-Weichkäse (wie der griechische Feta), Rührei, Rahmquark (=Long), eingemachte saure Gurken und Brot .... und zum Trinken reines Wasser aus eigener Quelle. Sobald man fertig ist mit dem Essen, steht man auf und geht vom Tisch. Im Gegensatz zu uns in der Schweiz wartet man nicht, bis alle zu Ende gegessen haben. Dies war für mich etwas ungewohnt, denn als langsamer Esser sass ich meistens als letzter am Tisch.
Nach dem ausgiebigen Frühstück, nach dem Mittag- und Nachtessen oder auch vor dem zu Bett gehen, gab es den wunderbaren russischen Tee aus der typischen türkischen Teekanne. Sie besteht aus zwei Kannen, der unteren für das heisse Wasser und der oberen für das Teekonzentrat. Das Teekonzetrat entsteht, indem man Teeblätter mit heissem Wasser aufgiesst und drinnen ziehen lässt. Erstaunlicherweise wird der Tee nicht bitter, auch wenn er 1 Stunde im heissen Wasser liegt. Zum Aufbereiten giesst man etwas Tee-Konzentrat in die kleinen Glasbecher und giesst auf mit dem heissen Wasser aus dem unteren Krug. Dazu 1-2 kleine Kaffeelöffel Zucker und je nach Geschmack und Vorliebe etwas Zitronensaft, und fertig ist das wunderbare Getränk. Ich habe mir immer etwa 4-5 Tassen, manchmal auch mehr genehmigt. Das eine oder andere Mal hatte es zur Konsequenz, dass ich an dem Abend nicht einschlafen konnte.
Bei vielen der Kosovo-Männer hat man den Eindruck, dass sie den harten Kern in der Familie bilden. Diesen Eindruck hatte ich in der Schweiz, aber nun auch im Kosovo. Hier herrscht ein Patriarchat, könnte man meinen. Es ist für die Männer wichtig zu zeigen, dass sie entscheiden und bestimmen. Aber dies ist in vielen Fällen nur noch Fassade. Die Frauen haben sich emanzipiert.
Früher war dies ganz anders. Da konnten die Mädchen keine Schule besuchen, denn ihre Lebens-Aufgabe war es zu gebären und den Haushalt zu schmeissen. Der Mann war in allen Belangen Oberhaupt, wie dies noch immer in vielen arabischen Ländern der Fall ist.
In der neueren Zeit haben sich die Frauen emanzipiert. Sie besuchen dieselben Schulen wie die Männer. Aus der Verantwortung für den Haushalt, der das meiste Geld verschlingt, bestimmt auf einmal die Frau. Die jungen Frau bestimmen und entscheiden, klar meistens mit dem Mann, oft aber bestimmend ... aber gegen Aussen tritt immer noch der Mann als Chef auf, als ob er der eigentliche Chef im Hause wäre. Wehe, er erzählt etwas falsches. Dann sagt die Frau zwar nichts, denn sie will ihn vor anderen nicht blamieren. Sie mag es und ist stolz darauf, einen hart verhandelnden Ehe-Mann an ihrer Seite zu haben. Aus ihrer Sicht soll der Gesprächs- und Geschäftspartner erkennen, dass sie die Frau in guten Händen ist.
Jedes Verkaufsgespräch beginnt damit, dass die Männer sich gegenseitig eine Zigarette anbieten, indem sie sich eine zuwerfen. Selbstverständlich hat man dazu eine teure Marken-Packung bei sich. Marlboro oder Winston im Minimum müssen es sein. Man zeigt damit, dass man sich eine Marken-Zigarette leisten kann und ein Mann von Welt ist.
Der Beginn, nein fast das ganze Verkaufsgespräch dreht sich um nichts. Bla, Bla würde man dem sagen. Man spricht über Gott und die Welt. Findet sich sympatisch und oft stellt man fest, dass man über mehrere Kanten und Ecken verwandt ist. Wen verwundert es, dass alle Kosovo-Bewohner Freunde und sogar verwandt sind. Dann spricht man kurz das Thema an, einigt sich innert Sekunden und verabschiedet sich als Freunde. Beide sind zufrieden mit dem Ergebnis, auch wenn es gar nicht so geplant war. Aber da es immer ein Geben und Nehmen gibt, hat jede Seite Erfolg gehabt. Und sei es nur, dass man eine unbrauchbare Früchteschale als Zugabe erhalten hat. Diese schenkt man dann bei der nächsten Einladung weiter .... und wiederum sind alle glücklich, denn auch in diesem Fall hat man wieder etwas, zum weiterschenken.
Impressionen aus dem Kosovo (Klick aufs Bild für volle Grösse) | ||
anlässlich seiner Synet-Party |
Den Frauen vom Kosovo und Albaniens geht der Ruf voraus, ausserordentlich hübsch zu sein. Als ich in Istrien davon erzählte, in den Kosovo zu gehen, meinte Sneky: "Wow, dort musst Du Dir eine Frau holen! Einmalig ihre Schönheit und Ausstrahlung!"
Ich wusste dies bereits aus meinen früheren Reisen und kann dies mit den nachfolgenden Bildern bestätigen:
Schönheiten aus dem Kosovo (Klick aufs Bild für volle Grösse) | |
Noch vor 10 Jahren hatte jedes Auto ein anderes Kennzeichen. Zum Teil waren sie selbst gemacht oder bemalt, oder sie stammten aus dem Ursprungsland in der EU. Strassenschilder fand man auch keine und die meisten Strassen waren in erbärmlichem Zustand.
Dies hat sich alles geändert. Der Kosovo wurde durch die EU modernisiert und auf höheren Lebensstandard gebracht. Jedes Haus verfügt nun über einen Stromzähhler und man muss monatlich die Stromrechnungen bezahlen. Jeder Strasse hat auch einen Namen. Auf blau-weissen Schildern sind die Strassen- und Ortsnamen aufgebracht. Die Ortsnamen sind zweisprachig in albanisch und serbisch.
Die von der EU angeordnete Kosovo-Administration wiehert. Jedes Jahr muss der Autobesitzer sein Auto vorführen à la TÜV und seinen Fahrzeug- und Führerausweis erneuern. Kostenpunkt allein für die erneuerten Ausweise 78 Euro. Raffiniert ist dabei, dass er die beiden Ausweise nur verlängert bekommt, wenn er mit den Zahlungsbelegen nachweisen kann, dass er die Steuern und Strom-Wasserrechnungen bezahlt hat. Um die grasierende Korruption zu unterbinden, kann man die Steuern oder auch die Fahrzeugausweise nicht am Schalter bezahlen. Nein, man muss dies in einer Bank tun und den Zahlungsbeleg dem Motorfahrzeug-Beamten vorweisen. Dumm ist, wenn auf der Bank der Computer oder PC ausgefallen ist, und dies geschieht oft. Dann wartet man eben. So rechnet jeder Einheimische für einen Behördengang in Stunden. Die EU lässt grüssen!
Erlebnis-Restaurant Anija in Lipijan (Klick aufs Bild für volle Grösse) | |
Die meisten Bewohner des Kosovo sind Muslime. Daneben gibt es serbisch-orthodoxe und römisch-katholische Minderheiten. Als ich im 2003 zum ersten Mal im Kosovo weilte, entdeckte ich im Raume Pristina nur 1 Moschee mit Minarett. Dieses Jahr entdeckte ich jedoch bereits wieder mehrere. Auf meine entsprechende Nachfrage erhielt ich die Antwort: "Wir mussten zuerst wieder Geld sammeln, um all die während des Kosovo-Krieges von den Serben zerstörten Moscheen wieder aufzubauen."
Der Islam hat im Kosovo eine über 500-jährige Tradition. Die kosovarischen Muslime sind fast ausschließlich Sunniten. Mein Eindruck ist, dass der muslimische Glaube ähnlich wie bei uns Protestanten nicht extrem ausgelebt wird. Die meisten gehen nur an den höchsten Feiertagen in die Moschee. Nur wenige beten mehrmals täglich gegen Mekka, wie es vorgeschrieben wäre. So hörte ich doch erstaunliches nach der muslimischen Zeremonie anlässlich des Synet von Leon, als zwei einheimische Frauen mir gegenüber zugaben, zum ersten Mal einer solchen Zeremonie beigewohnt zu haben. So fiel es auch nicht auf, als an beiden grossen Veranstaltungen der Hochzeit und dem Leon-Fest nur 3-4 gläubige Männer bewaffnet mit einem Gebetsteppich sich während des Abends zum Gebet zurückzogen. Während meines ganzen Aufenthaltes sah ich keine weiteren Einheimischen bei Islamischen Handlungen.
Muslimische Zeremonie während Synet-Party von Leon (Klick aufs Bild für volle Grösse) | |
Ich kenne kein Land, indem so viel geraucht wird wie im Kosovo. Ob Frauen oder Männer, alles raucht. Einzig die Jugendlichen sind noch etwas zurückhaltend. Sie rauchen (noch) nicht. Stumpen- oder gar Pfeiffenraucher sieht man keine, es sei denn, es sind Ausgewanderte aus dem nördlichen Europa. Zigaretten-Rauchen ist ein Gesellschaftsproblem. Ein Nichtraucher ist ein Aussenseiter. Ihm kann mein keine Zigaretten zuwerfen und er kann auch nicht zurückwerfen, wie ich es oben beim Verkaufsgespräche beschrieben habe. Die Zigarette braucht es, um den anderen zu zeigen, dass man Stil hat und Mann von Welt ist. Deshalb ist die Marken-Zigarette gleich wichtig, wie ein Auto.
Die ganze Familie Krasniqi geniesst den neuen Sitzplatz |
Unvergesslich war der alte Sitzplatz hoch oben beim alten Elternhaus. Noch im 2007 spielte sich hier das Leben ab. Auf dem Holzofen kochte Elfete und am rechteckigen Tisch sass die Familie zusammen. Nach meinem letztjährigen Kosovo-Besuch kam die Idee auf, einen neuen Sitzplatz beim neuen Haus zu schaffen. Im Laufe des Jahres haben Eshref und Milain einen wirklich gelungenen Platz gebaut und mit Küchenmöbeln ausgestattet.
Wenn ich an meine eigene Verwandtschaft denke, dann kommen mir nur meine Kinder, meine Schwester und die Bugginger in den Sinn. Die wohnen aber verstreut in der ganzen Schweiz und im nahen Ausland. Hier im Kosovo wohnen die meisten Verwandten im selben Dorf. Der Vater meines Schwiegersohns samt seinen Brüdern und deren männlichen Nachkommen wohnen im Dorf Sushice. Es gibt hier sogar eine Strasse, die nach dem Namen der Krasniqis benannt ist: "UL. Jashar Krasniqi" (Foto siehe im letztjährigen "Kosovo-Besuchsbericht 2015"). Die weiblichen Nachkommen wohnen jedoch verstreut rund um und in Pristina, z.B. in Gilijan oder Lipijan, bei ihren angetrauten Männern und deren Familien.
Ein weiterer grosser Unterschied besteht darin, dass man sich oft gegenseitig besucht. Nicht nur, wenn der Max aus der Schweiz hier ist. Der Zusammenhalt in der Familie ist gross. So trafen sich jeden freien Abend Verwandte auf unserem neuen Sitzplatz.
Leben auf dem Sitzplatz (Klick aufs Bild für volle Grösse) | |
Es war ein ganz normaler Tag. Eshref und Daniela kauften Lebensmittel im grossen Shopping Center ein. Der Einkaufswagen war "bumsvoll" beladen, auch mit Fleisch, das kühl gelagert werden sollte. Eshref kletterte ins Auto und startete den Motor, um den Innenraum zu kühlen. Er stieg aus, knallte die Tür zu und begab sich hinter das Auto, um den Kofferraum zu öffnen. Und hier begann das Drama: Der Kofferraum liess sich nicht öffnen. Ein Kontrollgriff an den Türen des Autos. Auch diese waren verschlossen. Das Auto hat automatisch sich selbst verriegelt, obwohl der Zündungsschlüssel steckte und der Motor lief! Was tun?
Glücklicherweise hatte Eshref einen Reserveschlüssel zu Hause in Sushice und sein mobil-Phone war auch nicht im Auto sondern in seiner Geldtasche. Er telefonierte mit Milain, der ihm den Schlüssel so schnell wie möglich in die Stadt brachte.
Daniela mit dem "Tina Turner Make-Up" (Klick aufs Bild für volle Grösse) |
Bericht über eine Hochzeit im Kosovo Klick aufs Bild für den ganzen Bericht |
Heiraten auf albanisch - Die Show ihres Lebens |
Eine Hochzeit ist etwas vom wichtigsten im Leben der Kosovaren. Ursprünglich ging es dabei nur um die "Vermehrung" der Familie durch Kinder. Aus diesem Grund haben früher die Eltern die Braut ausgesucht. Heute treffen und finden sich die Heiratsfähigen ohne deren Hilfe.
Männliche Kinder sicherten die Rente und sorgten damit für die Alten. Dies gilt auch heute noch, denn ohne Zustupf durch die Kinder könnten die Alten nicht existieren. Die monatlich Rente in Kosovo beträgt um die 200 - 300 Euro.
Ich war schon 2x an einer Hochzeit im Kosovo eingeladen. Es war jedesmal ein grosses unvergessliches Erlebnis. Diesmal war ich bei Selver und Malzure.
Im Internet habe ich einen lesenswerten Bericht über eine kosovarische Hochzeit gefunden. Den solltet ihr unbedingt lesen, wenn ihr mehr über diese Tradition wissen wollt. Durch Anklicken des Bildes rechts von Daniela gelangt ihr zum Hochzeitsbericht.
Drei Tage dauert eine Kosovo-Hochzeit.
Am ersten Tag ist der Polterabend, das Abschiedsfest der Braut von ihrer Familie, denn sie wird am Hochzeitstag ihr Elternhaus verlassen und zu ihrem Mann ziehen. Der Bräutigam feiert derweil mit seinen Freunden Abschied von seiner Junggesellenzeit.
Am Zweiten Tag wird die Braut vom Bräutigam und seiner Familie zu Hause abgeholt und in ihr neues Heim im Hause der Familie des Bräutigams gebracht. Abends findet dann das grosse Hochzeits-Fest statt.
Der dritte Tag ist den Frauen und Freundinnen vorbehalten. Sie schliessen dabei Freundschaft mit der Braut, begutachten ihre selber gemachten Handarbeiten, tauschen Tips für die Handarbeiten und Führen des Haushaltes aus und singen und lachen. Männer haben in dieser Gesellschaft nichts zu suchen.
Bei jeder meiner Kosovo-Hochzeiten war ich Gast der Bräutigam-Familie. Auch dieses Jahr war ich beim Bräutigam dabei und wiederum als Ehrengast. Bei jedem Fest bilden die Frauen den Glanzpunkt mit ihrer Schönheit. Bereits am frühen Morgen begab sich Daniela zur Friseuse und lies sich eine wunderbare Frisur kreieren und ein spezielles Make-Up mit allen Zutaten wie lange Wimpern aufkleben und -malen. Daniela sah toll aus. Sie erinnerte mich an an Tina Turner. Wie aus einem Bravo-Heftchen. (siehe dazu das Einstiegsbild dieses Berichtes). Diese Frisur sollte nur 1 Tag halten, morgen zum Hochzeitsfest gab es dann eine neue.
Als ich zusammen mit Daniela und Eshref am späteren Nachmittag beim Elternhaus des Bräutigams zum Polterabend ankam, wurde ich vom Hausherrn und Vater des Bräutigams in Empfang genommen und zu einem sonnengeschützten Platz begleitet, wo bereits andere "Alte" sassen. Ich wurde gleich behandelt wie einer der Onkels von Eshref, der mit seiner weissen gehäckelten Kopfbedeckung auf seinen Mekka-Besuch hinwies. Frauen und Männer sassen wie üblich getrennt. Und wie es so Tradition ist, wurde getanzt, gegessen und geplaudert, bis die Sonne unterging.
Der Hochzeitstag ist der Festtag der Frauen. Jede will hübscher aussehen als die andere. Dazu wenden sie sich an die Friseuse und lassen sich kunstvolle Frisuren hochstecken. Dazu die passende Schminke in den Farben des Kleides, falsche Wimpern und fertig ist dieses 1-Tages-Produkt. Jede der Frauen sah zum anbeissen aus. Eine hübscher und strahlender als die andere. Nur einige der Männer trübten dieses Bild. Sie kamen wie Clochards daher: in Heiland-Sandalen, blauen Jeans und Arbeiter-Hemden.
Abholen der Braut
Am Tag des Hochzeitsfestes wird als erstes die Braut aus ihrem Elternhaus abgeholt und zu ihrem zukünftigen Wohnhaus dem Elternhaus des Bräutigams geleitet. Um 14 Uhr war Abfahrt des Autokorsos, um die Braut abzuholen. Es waren etwa 30 Autos, alle mit einer roten Albaner-Flagge bestückt. Hupend ging es zur Braut, die unweit des Bräutigams wohnte. An Ort und Stelle wurden die Männer von den Frauen getrennt. Wir Männer wurden zum Obstgarten begleitet, wo die männlichen Familienmitglieder der Braut bereits warteten. Wie zwei Fussball-Mannschaften gingen wir aneinander vorbei und begrüssten uns gegenseitig, die linke Hand auf das Herz haltend. Ich sass kaum neben Eshref, als der Vater der Braut zu mir kam, mich am Arm nahm und mich zu den Familien-Oberhäuptern setzte. Auf diese Weise zeigten sie mir ihren Respekt und verneigten sich vor mir. Ich fühlte mich etwas unwohl, denn diese Ehrbezeugungen war ich nicht gewohnt.
Die Männer sitzen abseits und müssen auf die Braut warten (Klick aufs Bild für volle Grösse) |
Da sassen wir Männer alle zusammen. Für jeden gab es etwas zu trinken. Eine kalte Büchse Cola, Fanta, Schweppes. Derweil begaben sich die Frauen zur Braut, um sie in Ihren Reihen aufzunehmen. Dazu tanzten die "Nusen", das sind bereits verheiratete Frauen, in ihren weissen mit Silber oder Gold bestickten Oberteilen, um die Braut herum. Das raffinierte an der Nusen-Tracht ist, dass es sich weder um eine Hose noch um einen Rock handelt, sondern um ein Tuch das raffiniert um den Körper und zwischen den Beinen hindruch geschlungen wird. Ich sah dies, als Daniela ihr Nusen-Kleid wusch!
Hochzeit: Die Braut wird abgeholt (Klick aufs Bild für volle Grösse) | |
Für einen Mann ist es nicht erlaubt, sich in die Nähe der feiernden Frauen zu begeben. Darauf achten die männlichen Familienangehörigen der Braut. Mich interessierte es aber doch. So ging ich, im Bewusstsein ein Ehrengast zu sein, mit dem Einverständnis des Brautvaters zu den Frauen und konnte den Ablauf mit dem Erscheinen der Braut, der Entgegennahme durch den Bräutigam, den Tänzen und dem Einstieg ins Brautfahrzeug verfolgen. Es war schon berührend, wie die rund 40-50 Frauen sich um die Braut bemühten. Es hatte etwas wie der "Tanz der Bienen im Bienenstock um die Königin herum" auf sich.
Gemeinsam mit der Braut ging es dann zurück. Es soll Unglück bringen, wenn man auf demselben Weg zurück fährt. Also machte der ganze Auto-Tross einen grösseren Umweg, verstopfte alle Strassen und kam schlussendlich wohlbehalten im Heim des Bräutigams resp. dem seiner Eltern an.
Zwischen dem Abholen der Braut und dem Hochzeitsfest machten wir einen kleinen Halt in einem schönen Restaurant (Klick aufs Bild für volle Grösse) |
Auch wir fuhren nach Hause, um uns umzuziehen und uns zu duschen. Jedoch machten wir einen Zwischenstop vor Gracanica in einem feinen Restaurant. So entstand das obige Selfie.
Die Hochzeits-Party
Erst am Abend zum grossen Hochzeitsfest trafen sich alle Familien-Mitglieder der Braut und des Bräutigams gemeinsam. Etwa 200 Gäste wurden erwartet. Man trennte zwar immer noch, auf der einen Seite die Familie der Braut und auf der anderen Seite der grossen Tanzfläche waren wir als Vertreter des Bräutigams plaziert. Bereits beim Eintritt in den "Festsaal", so darf man die grosse wunderbar geschmückte Halle wohl nennen, ging es feierlich zu.
Empfang durch die Geschwister des Brautpaares (Klick aufs Bild für volle Grösse) |
Wir wurden von den 2 Brüdern und 3 Schwester, alle in rot gekleidet, begrüsst und an unsere Tische geführt. Als dann das Brautpaar feierlich eintrat, applaudierten alle Gäste und begannen zu Tanzen, den hier üblichen albanischen Tanz. Es schien wie ein Willkommenstanz. Das Tanzen sollte den ganzen Abend nicht mehr enden. Auch zum Essen nahm man sich nicht viel Zeit. Man war immer unterwegs. Nirgends auf der Welt habe ich die Lebensfreude von Menschen besser erlebt, als hier im Kosovo.
Hochzeitsparty (Klick aufs Bild für volle Grösse) | |
Beeindruckt hat mich der Brauttanz. Er begann damit, als der Bräutigam um seine auf einem Stuhl sitzende Braut tanzte, als müsste er sie erobern. Als sie dann aufstand, um dann um ihn herum zu tanzen, bildeten die Geschwister der Braut und des Bräutigams einen feierlichen Reigen und tanzten um das Brautpaar. Damit war das Fest für alle offiziell eröffnet.
Impressionen an der Hochzeitsparty (Klick aufs Bild für volle Grösse) | |
Als Mann hatte ich an diesem Anlass sowieso nichts zu suchen. Auch Daniela konnte und wollte nicht dabei sein. Wir mussten nämlich unbedingt einen festlichen Anzug für Leon kaufen, der in wenigen Tagen seinen grossen Festtag, sein "Synet - Beschneidungs-Fest" haben wird. Dazu fuhren wir nach Lipijan ganz in unserer Nähe. Wir fanden einen schönen d'blauen Anzug mit weissen Nähten, Gilet, Kravatte und weissem Hemd, alles zusammen für 45 Euro! Er sah in diesem Anzug "fäzig" aus. Einzig die Hosen mussten gekürzt werden. Dies machte die Schneider ein paar Häuser weiter in 5 Minuten. Damit hatten wir unser wichtigstes Tagesziel erreicht und genehmigten uns als Belohnung ein feines Eis.
Zurück in Sushice, ich war bereits müde, mussten Daniela und Eshref die Salate für das morgige Familien-Grillfest zubereiten. Sie arbeiteten über Mitternacht bis am Morgen um 1 Uhr an feinem Kartoffelsalat, Rüblisalat, Kohlsalat und Nudelsalat. Für mich war es der einzigen "freie" Abend ohne viel Besuch. Es kamen nämlich nur etwa 10 Personen, um mich zu begrüssen
Beim Metzger nach dem Hochzeitsfest (Klick aufs Bild für volle Grösse) | |
Am Abend der Hochzeitsparty hatte Meidij die Idee, eine Grill-Party auf der Wiese vor seinem ehemaligen Elternhaus in Zhegovac zu organisieren. Wir rechneten mit 50 Personen. Alles musste husch-husch gehen, denn die Party sollte bereits in 2 Tagen stattfinden.
Noch in der Nacht nach Abschluss des Hochzeitsfestes, es war 1 Uhr früh, begaben wir uns zu einem Metzger aus der Reihe der Braut-Familie, um das Fleisch für die Grill-Party zu bestellen. In der Fleischerhalle hingen 3 Stück Rind. "Sie seien erst 1 Tag alt", meinte er. Was sich dann auch bestätigte, denn die 20 kg vom Hals waren nicht gerade zart. Es war eben nicht abgehangen, wie dies bei uns üblich ist! Dazu orderten wir aber noch ein paar kg scharf gewürzte Wurst, die mir ausnehmend gut geschmeckt hat.
Grillparty bei den zerstörten Häusern von Zhegovac (Klick aufs Bild für volle Grösse) | |
Die Grillparty fand beim alten, durch die Serben zerbombten und ausgebrannten Elternhaus der Pajazitis in Zhegovac (Zhegovc) statt. In diesem kleinen Dorf wohnten einst mehrere Familien. Alles haben die Serben im Kosovo Krieg zwischen 1997/98 niedergebrannt, und alles was sich noch bewegte, umgebracht. Es war eine bitterer Moment, hier zu stehen. Aber auch aufbauend, denn das Leben geht weiter, wie wir erleben konnten, denn einer der Onkels hatte begonen, eines der Häuser wieder bewohnbar zu machen. Auf seiner Wiese mit einigen Obstbäumen machten wir unser Grillfest. Ueber 50 Pajazitis haben sich eingefunden.
Partyleben (Klick aufs Bild für volle Grösse) | |
Synet von Leon (Klick aufs Bild für volle Grösse) | |
Schon Tage voraus waren Daniela und Eshref nervös. Es galt die Zahl der Gäste endgültig zu fixieren, das definitive Menue abzusprechen und dann einen speziellen Anzug für Leon zu kaufen. Zudem musste auch der Anzug von Eshref angepasst werden. Wie bei mir, hat auch er zu kurze Beine. Im Eifer des Gefechtes haben wir aber die Armlänge des Kittels nicht geprüft. Viel zu lange waren seine Aermel. Sie überdeckten seine Fingerspitzen. So konnte er nicht hinter Leon einmarschieren. Er musste ihn weglassen.
Bereits 1 Stunde zu früh waren wir im Festsaal. Ja, so musste man ihn nennen, denn die schön gedeckten weissen Tische und Stühle mit roten Arrangements sahen festlich aus. Wir hofften alle, dass die Gäste pünktlich eintreffen würden, denn bereits um 17 Uhr waren zwei Hodschas, muslimische Geistliche, eingeladen. Sie sollten in einer feierlichen Zeremonie dem Fest den Segen mitgeben.
Max, der grosse Tänzer (Klick aufs Bild für volle Grösse) | |
Und welch Wunder, um 16 Uhr waren alle 112 Gäste im Saal. Unglaublich für Kosovaren, die nicht gewohnt sind, sich an Termine zu halten. Der ganze Anlass begann mit dem Einmarsch von Leon und dahinter seine stolzen Eltern Daniela und Eshref (ohne Kittel) mit Schwester Anina. Alle Gäste erhoben sich und klatschen Beifall. Kaum sassen die vier am Ehrentisch, begannen alle Gäste nach albanischer Tradition zu tanzen. Sie tanzten mit kleineren Unterbrüchen bis zum Schluss des Festes um etwa 23 Uhr. Auch ich tanzte eifrig mit, hatte ich doch die Schritte am Vortage nochmals geübt. Scheinbar gab ich ein gutes Bild ab, wurde ich doch wegen meines Tanzstils gelobt. "Du hast besser getanzt, als manch Einheimischer!" Ob dieses Kompliment nur aus Respekt ausgesprochen wurde, oder ob meine tänzerischen Qualitäten doch zum Vorschein kamen?
Max im Kreise seiner Familie (Klick aufs Bild für volle Grösse) | |
Es war ein typischen kosovarisches Fest. Kein grosser Unterschied zu einer Hochzeit. Zum Tanz spielte ein 3-Mann-Orchester. Zum Essen gab es ein achtbares 4-Gang-Menue, dazu alle Arten von gesüssten Mineralwässer. Alkohol gab es keinen. Wie bereits erwähnt, ich war sehr aktiv und schwitzte ob meiner Leistung als Tänzer. Nach ein paar Stunden brachte ich meine Arme nicht mehr hoch. Mir fehlte die Uebung und die Kraft, denn beim albanischen "Ringel-Reihen-"Tanz hält man sich gegenseitig an den Händen und schwenkt die Arme im Takt.
Freunde und Verwandte (Klick aufs Bild für volle Grösse) | |
Beim Entritt der Gäste in den Festsaal ist es im Kosovo üblich, dass die einladende Familie am Eingang die Gäste einzeln begrüsst. Ich hielt mich im Hintergrund auf, denn ich fühlte mich zu unsicher in der albanischen Begrüssungssprache sprich -Zeremonie. Es ist nämlich üblich, sich gegenseitig zu fragen, wie es einem geht, ob man gut gefahren sei und ob man glücklich sei .... etc. Dazu gab es immer dieselbe Antwort "Mir", was gleich bedeutend ist wie "gut".
Leon, als Mittelpunkt des Festes (Klick aufs Bild für volle Grösse) | |
Ich machte während dieser Zeit meine Runde im Saal und begrüsste die Gäste, sobald sie am Tisch sassen. Die meisten kannte ich oder sie kannten mich. Sie haben sich alle gefreut, dass ich als "Alter" und Vater von Daniela zu den jüngeren gekommen und sie begrüsst habe. "Wie lieb war dies, dass Dein Vater zu uns an den Tisch gekommen sei und uns begrüsste hat" habe ich einen Kommentar via Daniela erfahren.
Tanz ist der Mittelpunkt der Party (Klick aufs Bild für volle Grösse) | |
Mehr überrascht war ich aber, dass man mir gratulierte. Ich war überrascht, denn warum haben sie mir gratuliert? Des Rätsels Lösung: Ich war der Vater von Daniela, und Daniela die Mutter und ich der Grossvater von Leon. Ohne mich gäbe es keinen Leon! Typische Kosovo-Logik! Aber mich haben diese Gratulationen gefreut. Und auf einmal habe ich begriffen, warum ich überall so herzlich und respektvoll begrüsst wurde. Sie mochten mich als Oberhaupt der "Lehmänner"!
Um 23 Uhr beendeten wir das Fest. Die Stimmung war auf dem Höhepunkt. Alle waren noch auf der Tanzfläche. Es war jedoch ein idealer Moment, denn die meisten mussten am morgigen Donnerstag wieder arbeiten. Daniela und Eshref waren glücklich. Ihr Fest war ein grosser Erfolg. Die Stimmung war hervrragend. Sie erhielten viele Komplimente.
Erz-Aufbereitungsanlage (Klick aufs Bild für volle Grösse) | |
Zwischen den beiden Festen kam Fatmir, ein Verwandter von Eshref, zu uns und machte den Vorschlag, er würde uns gerne die Erz-Aufbereitungsanlage etwas ausserhalb Gracanica zeigen, in der er arbeite. Es gäbe bestimmt vieles zu fotografieren, denn öfters kämen Gäste aus vielen Ländern. Ich war schnell bereit, denn bereits in den Vorjahren habe ich weit oberhalb der Hauptstrasse die vermeintlichen Ruinen der ehemaligen Anlage gesehen. Dass sie wieder in Betrieb seien, war für uns alle eine Ueberaschung.
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Eshref, Nehat und ich waren gespannt, als wir dorthin fuhren, was in dieser Ruine abläuft. Und welche Ueberraschung, 1/3 des Werkes war wieder in Betrieb und bereitete aus dem Schutt, der zum Teil von weit her angefahren kam, Blei, Zink und Silber auf. Es waren immer noch die Maschinen der CCCP (Abkürzung für UdSSR) in Betrieb.
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Als erstes wurde das angelieferte Gestein über mehrere Stufen fein zerkleinert und dann über Flotation getrennt. Flotation bedeutet aber nicht, dass über das unterschiedliche Gewicht getrennt wird, sondern durch Beigabe geeigneter Chemikalien werden Erzteile wasserabstossend und andere wasseranziehend gemacht. Durch Einblasen von Luft in den Schlamm werden die wasserabstossenden Teilchen sprich Erze an die Oberfläche geschwemmt und können abgeschöpft werden.
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Für dieses Verfahren werden verschiedene Chemikalien verwendet. Es stank zwar nicht in der grossen Halle, als wir aber nach 2 Stunden unsere Hände waschen konnten, spürten wir am ganzen Körpber ein Jucken und Beissen. Spürten wir die Rückstände der Säuren? Von Arbeitshygiene entdeckte ich keine Spur. Während die Arbeiter ohne irgendwelche Schutzanzüge und Masken arbeiteten, konnten wir uns zu Hause duschen und die Kleider waschen.
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Die Adria-Airways soll und hat es in meinem Fall bestätigt, eine der unpünktlichsten Fluggesellschaften sein. Sowohl auf dem Hin- wie auch dem Rückflug hatten wir 1,5 Stunden Verspätung. Eine Katastrophe für die Fluggäste, die den Anschlussflug z.B. nach Zürich oder Wien verpassten und in Ljubljana übernachten mussten. Es waren einige! Ob die Adria Airways für diese Kosten geradesteht? Mich hat die Verspätung wenig gestört, ausser der langen Zeit, in der ich in der Abflughalle dumm herumsitzt. Als Zubring-Shuttle ist Adria Airways unbrauchbar und nicht zu empfehlen.
Auf dem Rückflug traf ich Soldaten der Schweizer KFOR, die zurück nach Zürich wollten. Durch die Verspätung verpassten sie den Anschluss und mussten notgedrungen in Ljubljana übernachten.
In Ljubljana wurde ich von Matjaz in Empfang genommen und konnte mein Auto übernehmen, das ich in seiner Garage abstellen durfte. Unterwegs sah ich bereits die ersten Vorboten der Wochenend-Katastrophe, denn der russische Präsident Putin wollte am Samstag Slowenien besuchen: Aus diesem Grund wurden am Samstag alle Autobahnen um Ljubljana, der Karawanken-Tunnel, alle Pässe und Grenzübergänge zwischen Oesterreich und Slowenien geschlossen sein. Und dies am 1. Ferientag der beiden Bundes-Länder Baden Württemberg und Bayern.
Autobiografie von Max Lehmann Schafmattweg 13, CH-4102 Binningen |
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