Das vergangene 1992 war für mich ein wichtiges und formendes Jahr. Es hat viele schöne, faszinierende und aufregende, aber auch nachdenkliche, traurige und hilflose Situationen hervorgebracht. Meine Empfangsantennen wurden feiner und empfindlicher. Ich habe viel Neues entdeckt, gute und schlechte Erfahrungen gesammelt. Ich bin daran zu lernen, bewusster und offener zu leben.
Wenn es keinen Silvester gäbe, man müsste ihn erfinden. Auch an diesem Jahreswechsel trafen sich bei mir, anschliessend an das wunderbare Silvester-Konzert des Radio-Symphonie-Orchesters Basel, dreizehn Freunde (Ruth, Monica, Zlata, Fritz und Anette, Carlo und Carla, Franz und Elisabeth, Ingrid und Georges, Milena und Bogdan), um gemeinsam das 1991 abzuschliessen und das 1992 zu beginnen. Und es hat gut begonnen ..........
Etwas Neues haben wir uns einfallen lassen. Wir unterbrachen unsere 10-tägigen Ski-ferien und fuhren am Sonntag zurück nach Basel, um am Montag-Morgen um 4 Uhr den Morgestraich mitzuerleben. Es waren genau 10 Jahre her, seit wir das letzte Mal an der Basler-Fasnacht waren. Ja, seit 10 Jahren sind wir Gast bei Edith und Pfupf im Chalet Luise in Bellwald (Wallis).
War es nun die Antipathie zu Luciano oder das scheinbar bekannte Mutter/Tochter-Problem? Es ist müssig zu entscheiden, welche Ursachen schlussendlich Katja dazu bewogen haben, zu mir zu ziehen. Unbestritten ist, dass die beiderseitigen Agressionen derart eskalierten, so dass für Katja nur dieser Weg übrig blieb.
Ich bin froh, dass es für Katja diesen Ausweg gab. In der Zwischenzeit haben wir uns bereits recht gut aneinander gewöhnt und leben als Partner in einer Art "Wohngemeinschaft" beieinander. Die jetzige Harmonie war gar nicht so selbstverständlich, denn Katja wurde in der Zwischenzeit älter (17,5 Jahre), selbstbewusster, selbständiger und hat einen festen Freund, den Reto. Auch ich wurde älter, hatte aber das Glück, eine verständnisvolle Beraterin zur Seite zu wissen, die mir zweckmässige Tips im Umgang mit heranwachsenden und von sich überzeugten Teenagern beibrachte, mir aber auch in gewissen Fällen einen Spiegel vors Gesicht hielt.
Manche nannten mich etwas verrückt, andere hatten Verständnis, denn ich verbrachte die Sommerferien nach einem Jahr Unterbruch wiederum im ehemaligen Jugoslavien, auf der Halbinsel Istrien. Ich wollte nicht nur günstige Ferien in einem landschaftlichen Paradies verbringen, nein, ich wollte den Bewohnern, die ich in den letzten Jahren schätzen lernte, meine Sympathie beweisen und ihnen in ihrer wirtschaftlichen Notlage helfen.
Am Donnerstag, 26. Juni um 13:35 Uhr fuhren wir, d.h. ich, Daniela und ihre Freundin B., in Richtung Süden ab. Bereits 5 Stunden später nach einem Halt in Erstfeld war die italienische Grenze in Chiasso erreicht. Nach mehrstündigem Schlaf im Wohnwagen langten wir am Freitag um 12:30 auf dem Zeltplatz Solaris bei Porec an, wo wir von den Kölnern Mausi und Rudi, sowie den Grazern Inge und Freddy aufs herzlichste begrüsst wurden.
Auf unserer Fahrt in den Süden befuhren wir insgesamt 4 Länder: Schweiz, Italien, Slowenien und schlussendlich Kroation. Angenehm berührt hat uns der Empfang in Slowenien und Kroatien, wo uns die Zollbeamten eher als Willkommensdelegation denn als Kontrollbeamte vorkamen. Es fehlten nur die Blumen.
Wo blieben aber die vielen Touristen? Istrien schien wie ausgestorben. Im Lande selbst ist mir aufgefallen, wie weit die freie Marktwirtschaft bereits vorgedrungen ist. Im Gegensatz zu früheren Jahren waren die Angestellten in den privaten Geschäften, die kommunistischen waren bereits liquidiert, sehr zuvorkommend und gaben sich jede er-denkliche Mühe. Die Qualität auf dem Dienstleistungssektor und in der istrischen Küche hat sich markant verbessert.
Unvergesslich für Daniela und B. wird das wunderbare Erlebnis ihrer ersten Liebe mit den zwei netten italienischen Jungens Massimo und Maurizio von Triest bleiben. Auch mich hat dieses Erlebnis nicht unberührt gelassen. Ich habe an alles gedacht und alles mögliche vorbereitet, aber gegen Liebe und vorallem gegen die Abschiedstränen der Enttäuschung hatte ich weder ein Mittel noch Worte. Aber ich glaube, das war auch richtig so.
Gegensätze und neue Welten erlebten wir auf einem Ausflug ins Landesinnere. Einesteils Buje mit dem eher armseligen und halbzerfallenen Dorfkern und auf der anderen Seite die beiden faszinierenden Bergdörfer Motovun, mit der komplett erhaltenen Wehrmauer aus dem 14. Jh., und Groznjan. Vorallem Groznjan schien mir wie der Himmel auf Erden. Musik schwebte über dem kleinen Dorf. Aus den meisten Häusern erklangen Klavier-, Geigen- und Flöten-Klänge und erfüllten die mit farbenprächtigen Blumen geschmückten Häuser und verwinkelten Gässchen mit Leben.
Was auf Istrien vor Jahren mit einem Tennis-Match zwischen mir und Heinz begann, führte mich schliesslich zu 5 wunderbaren Tagen nach München. München ist wirklich eine Stadt mit Herz, eine Gross-Stadt mit dörflichem Charakter und vielen Sehenswürdigkeiten, und "süffigem" Weiss-Bier.
Das Oktoberfest ist nicht jedermanns Sache. Und trotzdem, den Wies'n-Einzug der Wirte, die bulligen Haflinger-Pferde, die 15'000 plätzigen Festzelte muss man einmal erlebt haben. Mich hat aber das kulturelle München mit den vielen Sehenswürdigkeiten, den Museen mit der grössten Rubens-Sammlung der Welt, dem Nymphenburg-Schloss und den grossen Pärken fasziniert.
In München wohnen aber auch liebe Freunde: Edith und Heinz, die alles einfädelten, leider aber während meiner Münchner-Zeit verreisen mussten, sowie Sieglinde und Reinhardt, in deren Haus ich wohnen und in deren Swimmingpool ich meine von den Besichtigungs-Tours zerschundenen Glieder abkühlen durfte. "Danke vielmals für Euere unvergessliche Gastfreundschaft! Darf ich wiederkommen?"
Mit einem eindrücklichen Gedicht von Erich Fried das Ihr als Abschluss zu diesem Rückblick nachlesen könnt, haben mich Anette und Fritz von ihren Hochzeitsabsichten und dem -Termin des 26. August überrascht. Unvergesslich und beeindruckend bleibt die familiäre Trauung mit den weltoffenen Worten von Pfr. Kunz, unvergesslich aber auch die grosse Sommernachtsparty auf der Sulzhöhe oberhalb Muttenz.
Den Tod habe ich dieses Jahr mit unterschiedlichen Gesichtern erlebt. Am 2. Februar bei einem Spaziergang oberhalb Pfeffingens versuchte ich zusammen mit einem Arzt und einem weiteren Helfer während 1 Stunde mit Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzmassage, wie ich es im Militär gelernt haben, das Leben eines wildfremden Mannes, der zusammengebrochen war, zu retten. Es war echt nieder-schmetternd, als die mit Helikopter eingeflogene Notfall-Aerztin nach einiger Zeit den Mann mit einer Decke zudeckte. Wie hilflos fühlt man sich doch in einem solchen Moment!
Besonders tragisch und nachdenklich empfand ich den Abschied von Felix Hämmerle am 2. August, der im Alter von 48 Jahren weder ein noch aus wusste und keinen Freund hatte, dem er sich anvertrauen konnte.
Am 6. Oktober verliess uns Alfred Meihofer aus Buggingen nach langer schwerer Krankheit. Die vielen schönen und interessanten Stunden in meiner Jugend mit ihm werde ich nie vergessen.
Weiterhin schöne Fortschritte mache ich im Tennis. Wenn es so weiter geht, dürfte ich meinen Leistungszenith etwa mit 80 Jahren erreicht haben.
Die Vorbereitungen auf den nächsten internationalen Grosskampf zwischen mir und Lucio aus Leifers/Italien gehen planmässig voran. Den ersten und zweiten Auf-schlag habe ich recht gut im Griff und ist meine derzeit beste Waffe. An der Clubmeisterschaft gewann ich im Trosttunier meinen ersten Zinnbecher für den 4. Rang.
Kurz vor Redaktionsschluss ist folgende Sport-Meldung eingetroffen: "Der Geschlechterkampf von heute Samstag, 26. Dez. um die Vorherrschaft im Tennis-Doppel im Raume Binningen/Therwil zwischen den beiden Nachwuchshoffnungen Monica G./Elisabeth v.F. und den nicht minder talentierten Bogdan U./Max Lehmann stand nach dem 1. Satz 8:6 für die beiden weiblichen Cracks. Der 2. und entscheidende Satz konnte wegen Freudentänzen noch nicht begonnen werden!"
Kulturelle Erlebnisse:
Besuche die grosse Klimt-Ausstellung im Kunsthaus Zürich. Bin begeistert von seinen Werken, vorallem von der Erotik und Ausstrahlung des Bildes "Danae" und vom Beethoven-Flies, das die bildliche Darstellung der 9. Symphonie (Ode: "an die Freude") darstellt.
8. Nov.: Fritz und Anette lösen ihr Hochzeits-Geschenk ein und besuchen mit uns allen die Mozart Oper "Cosi fan tutte".
Es ist Unsinn, sagt die Vernunft. Es ist, was es ist, sagt die Liebe. Es ist Unglück, sagt die Berechnung. Es ist nichts als Schmerz, sagt die Angst. Es ist aussichtslos, sagt die Einsicht. Es ist, was es ist, sagt die Liebe. Es ist lächerlich, sagt der Stolz. Es ist leichtsinnig, sagt die Vorsicht. Es ist unmöglich, sagt die Erfahrung. Es ist, was es ist, sagt die Liebe. |
Es ist, was es ist. Ich wünsche Euch allen fürs 1993 dasselbe, was mir eine liebe Freundin für den Jahreswechsel geschrieben hat: Beste Gesundheit und viel Glück, Wärme, Freundschaft und Liebe, Ruhe und Gelassenheit, Klarheit und Zufriedenheit, sowie Frieden in Euch und mit Euch.
Mit vielen lieben und herzlichen Grüssen
Euer Max
Mail an Max Lehmann
Schafmattweg 13, 4102 Binningen |
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