Testbericht: Mein erster Kontakt mit einem e-Rennrad von Bianchi

Ich bin kein Freund der eBikes als Sportgerät. Für mich sind diese Räder nichts anderes als ein elektrisch angetriebener Roller/Scooter oder Moped. Mein heutiger Test hat dies bestätigt: Mit dem eBianchi hätte ich den Gotthard-Pass bewältigen können, ohne körperlich übermässig müde zu werden oder sogar in den steilen Anstiegen absteigen zu müssen. Es bestätigte sich aber auch, dass für die meisten Nutzer ein eBike keinen Trainingseffekt bietet, ausser man schaltet den elektrischen Antrieb aus. Es findet nur eine minime Kreislauf- und Muskel-Belastung statt. Man wird nicht müde. „Die würden besser zügig 1-2 Stunden zu Fuss marschieren oder walken!“

Renato kaufte sich ein Bianchi eBike

Mein persönlicher Freund und Rad-Mentor Renato hat sich vor kurzem ein „eBianchi-Rennrad“ beim Ruedi Wenger gekauft. Es ist ein Carbon-Rennrad mit elektrischem „Hilfs-Antrieb“ von ungefähr 13-14 kg (inkl. Batterien und Motor). Ich habe diesen Kauf nicht ganz verstanden. Obwohl Renato 4 Jahre älter ist, fährt er um Welten besser und stärker als ich. Die Piemont-Anstiege vor 2 Jahre hatte er alle bewältigt. Kein Anstieg ist sicher vor ihm. Ich konnte ihn nie abhängen. Auch wenn ich mit x-tausend Kilometern aus Thailand nach Hause kam und er untrainiert war, fand er irgendwo noch ein paar Körner, um mich abzuhängen.

18. Aug. 2019: Ausfahrt mit Renato ins Elsass

Mein erster Kontakt zu seinem eBianchi

Schönes Wetter, blauer Himmel und Sonnenschein luden am Sonntag, 18. August ein zu einer Ausfahrt ins Elsass. Ich mit meinem LOOK-Rennrad, Renato mit seinem eBianchi. Unterwegs, bevor der erste mittelschwere Anstieg mit 5-7% Steigung folgte, wechselten wir die Räder. Ich stieg auf sein eBianchi-Rennrad mit der schwächsten elektrischen Leistungs-Unterstützung und Renato auf mein LOOK.

18. Aug. 2019: Ausfahrt mit Renato ins Elsass. Die Batterien befinden sich im Rahmen und der Antrieb in der Hinterrad-Achse

Und los gings. Ich spürte beim treten, wie eine mir unbekannte Kraft die Pedale herumzog. Dieses Gefühl war neu für mich. Bisher musste ich kraftvoll auf die Pedale treten und diese auf der anderen Seite hochziehen. Ich schaltete auf einen anderen Kranz und erhöhte die Geschwindigkeit ohne die elektrische Leistungs-Unterstützung zu ändern. Mehrere 100 m vor mir sah ich einen anderen Rennfahrer. Er fuhr stark. Ich kam ihm innert kurzer Zeit immer näher. Bevor ich ihn einholte, reduzierte ich meine Geschwindigkeit, denn ich wollte ihn nicht mit fremder Kraft-Unterstützung überholen. Dies wäre unfair gewesen, denn ich sah, er litt vor mir.

18. Aug. 2019: Ausfahrt mit Renato ins Elsass

Ich fühlte mit ihm. Auch ich hätte auf meinem konventionellen LOOK-Rennrad gelitten. Meine Muskeln hätten gechmerzt und der Puls sich auf 140-150 bei Atemnot erhöht.

Mit einem Blick zurück sah ich keinen Renato. Ich habe ihn doch tatsächlich um einige 100 m abgehängt, obwohl ich kein „Gas“ gegeben hatte. Mein Puls war ganz normal. Ich musste keine übermässige Leistung vollbringen. Es war, als ob ich auf der Ebene gefahren wäre. Ich war in Euphorie und begeistert!

Dann stieg ich wieder um auf mein konventionelles LOOK-Rennrad und fuhr die restliche Strecke mit den vielen Anstiegen mit eigener Muskelkraft. Oft brannten meine Muskeln, aber ich fuhr die insgesamt 75 km mit einigen Anstiegen problemlos. Meine Muskeln waren hart. Eine Massage wäre das Richtige gewesen. Ein Eucalyptus Erholungs-Bad hatte ihnen gut getan. und der anschliessende 1 stündige Schönheits-Schlaf ebenfalls. Ich war zufrieden und stolz auf mich und meinen Körper. Ich hatte etwas geleistet.

Am nächsten Morgen, nach einem tiefen, gesunden Schlaf

Am darauf folgenden Morgen stand ich gut erholt auf. Es hatte nachts geregnet. Ich hatte Zeit, mir zu überlegen, ob ein solches eBike-Rennrad mit einem Anschaffungspreis von Fr. 5’000.– etwas für mich wäre. Was es mir bringen würde.

Es war in der Tat ein Erlebnis, wie leicht und ohne Anstrengung ich Anstiege bewältigen konnte. Ich war schockiert, wie ich problemlos Renato abgehängt hatte, ohne dass ich irgendetwas in meinen Muskeln spürte. Klar, etwas musste ich auch tun. Ich musste aber nur einen Bruchteil der Leistung auf die Pedale bringen, die mit einem konventionellen Muskel-Antrieb notwendig gewesen wären. Wollte ich dies? Wollte ich Sport treiben, ohne müde zu werden? In der Tat, aufs „Leiden“ könnte auch ich verzichten.

Die Batterie-Unterstützung ist bestimmt zweckmässig, wenn man kaputt ist, sich überschätzt hat und einen weiten Heimweg vor sich hat. Als Alternative könnte man aber auch einen gemütlichen Kaffee-Halt einschieben, einen feinen Kuchen essen und etwas Kräfte tanken! Oder nur Touren in Angriff nehmen, die man bewältigen kann.

Die Batterie-Unterstützung ist hilfreich und willkommen, wenn man Strecken fahren will, die man mit einem konventionellen Bike niemals mehr schaffen würde. z.B. den Gotthard-Pass oder durch’s Piemont. Ich verstehe auch die Vorteile, wenn man mit jüngeren Fahrern mithalten will, die eine höhere Geschwindigkeit fahren können. Will ich das?

Theoretisch kann man die elektrische Unterstützung auch ausschalten und mit reiner Muskelkraft fahren. Aber ich kenne meinen inneren Schweinehund sprich Kopf: Wie schnell würde er die Batterie einschalten, wenn es aufwärts ginge und ich vor mir einen keuchenden Rennfahrer überholen möchte.

Meine Folgerung

Für mich ist das Rennrad immer noch einen Ansporn, Leistung zu erbringen und meinen Körper zu fordern. Vielleicht sogar, um mein Körpergewicht zu reduzieren. Ich will keine Rekorde fahren, aber ich bin glücklich, wenn ich Ausfahrten von 80-100 km fahren kann, ohne mich anschliessend erschöpft erholen zu müssen. In ein paar Jahren werde ich möglicherweise auf ein eBike umsteigen oder eher mit dem Radrenn-Sport aufhören, denn auch bei mir klickt die Altersuhr.

In meinen Ueberlegungen muss ich berücksichtigen, dass ich 5 Monate in Thailand verbringe und dort weiterhin mit meinem konventionellen TREK-Rennrad also mit Muskel-Kraftfahren werde. Dazu benötige durchtrainierte Muskeln.

Für mich ist die Zeit noch nocht reif für ein eBike. Ich habe nun einmal den Renato abgehängt und dies genügt! Ich werde meine Routen in die Ebene legen und die steileren und langen Anstiege meiden.

Print Friendly, PDF & Email

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://www.maxlehmann.ch/wpeuro/2019/08/20/mein-erster-kontakt-mit-einem-e-rennrad-von-bianchi/

5 Kommentare

Zum Kommentar-Formular springen

  1. Danke Lieber Max
    Super gut dein Bericht, so toll zu sehen, wie auch gut trainierte Kollegen, Personen das auch testen, ohne wenn und aber. Dein Bericht sagt alles: nicht jeder muss es kaufen, aber es ist ein ganz gute Hilfe.

    Danke und e liebe Gruess Ruedi

    1. Lieber Ruedi
      Danke für Deinen lieben Kommentar. Ich muss gestehen, ich wurde hin- und hergerissen, als ich das eBike ausprobierte. Ein technisches Meisterwerk.

      Wir sehen uns wieder anlässlich Deiner Buch-Vernissage am 27. September. Bitte reserviere mir 1 Exemplar Deiner Memoiren mit Deiner persönlichen Widmung.
      Ganz liebe Grüsse Dein Max

  2. Lieber Max,
    gerade vor ein paar Tagen habe ich dieses eBike von Bianchi gesehen. Eindrücklich wie die Fortschritte gemacht haben.
    Ich habe mir die gleichen Gedanken gemacht wie Du und freue mich auf die Zeit, wenn mir ein solches Gerät hilft mit meinen jüngeren Kollegen mitzuhalten. Gary meinte, ich hätte es erst mit 90 nötig (He made my day, hahaha!!) Bis dahin tut es gut, die „geschundenen“ Muskeln zu spüren, speziell in Thailand, für eine erholsame Massage.
    Lieber Gruss, Sammy

    1. Hoi Sammy…ich glaube auch, dass Du diese eMaschine erst ab 90 brauchst. Aber Spass beiseite. Müssen wir uns immer mit den jüngeren Kollegen messen? In Hua Hin haben wir letzte Saison gezeigt, dass wir ältere Herren auch schöne Ausfahrten machen können…mit feinen Smoothies und Bananen-Crepes als Doping!
      Liebe Grüsse Max

    • Renato Bevilacqua auf 24. August 2019 bei 19:48
    • Antworten

    Lieber Max
    Ich bin gerade von einer drei Tage Fahrt mit Toni Saxer und Markus Rieder zurückgekommen.
    Wir sind von Basel nach Stein am Rhein gefahren am ersten Tag, am zweitem Tag eine Ausfahrt von 80 Km und am dritten Tag nach Basel zurück gefahren, insgesammt waren es 335 Km.
    Ich war sehr glücklich mit meinem E- Bike Rennrad
    Meine Freunde Toni und Markus können es Dir bestätigen wie ich die Steigungen mühelos bewältigt habe.
    Es ist ein super Gefühl mit so einem Rennrad .

    Lieber Gruss dein Freund Renato

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Secured By miniOrange