Meine Zeit und Karriere im Militär (1962 - 1995)
(Teil meiner Autobiografie "Ich habe gelebt !" Letzte Aenderung: Version 1.0 vom 24. Sept. 2018)

Mein Ehrgeiz - aber niemand war stolz auf mich

Nach der Pubertät und während meiner Berufslehre als Laborant entwickelte sich mein Ehrgeiz und meine Selbständigkeit immer mehr. Ich trat bewusst aus dem Schatten meines Vaters. Meine Mutter war stolz auf meinen Vater. Und immer wieder, bis ins hohe Alter, erzählte sie, wie er als Wachtmeister die Funktion eines Zugführer Stellvertreters ausübte. Ich setzte mir eigene Ziele. Ich wollte besser als mein Vater werden. Offizier und Studium waren meine Pläne.

Alles sah gut aus, ich war auf bestem Wege, bis mein Vater am 4. August 1964 durch einen Autounfalll in England tödlich verunglückte. Ich war zu der Zeit 21-jährig in der Offiziersschule in Dübendorf. Da ich auch mein zweites Ziel, mein Studium, erst nach seinem Tod abschloss, blieb mir die Anerkennung meines Vaters für immer versagt. Diese Situation hat mich Zeit meines ganzen Lebens geschmerzt. Ich war stolz auf meine Leistungen, aber niemand war stolz auf mich .... auch meine Mutter konnte es mir nie zeigen.

Militärischer Vorunterricht und Aushebung

Mein militärischer Werdegang begann bereits vor der eigentlichen Militärpflicht. Da ich auf keinen Fall zur Infanterie oder einer anderen Kampftruppe eingeteilt werden wollte, besuchte ich mit 17 Jahren im freiwilligen militärischen Vorunterricht während 1 Jahres einen Morsekurse, um bei den Uebermittlungstruppen eingeteilt zu werden. Dies war damals Voraussetzung für diese Spezialtruppe.

Am 18. August 1961 war der grosse Tag der militärischen Aushebung. Alle 18/19-jährigen mussten sich "stellen", wie es im jugendlichen Jargon hiess. Ich hatte mich im Sandgruben-Schulhaus zu melden. Ich musste einen Sporttest machen (80m Lauf, Weitwurf, Klettern an der Stange und Weitsprung), einen Aufsatz schreiben und wurden vom Militär-Arzt sanitarisch untersucht. Dazu mussten wir uns nackt ausziehen und wurden mit dem Stethoskop grunduntersucht. Er prüfte zudem, ob ich einen "Bruch" hatte und zog dazu kurz aber heftig am Schwanz.

Im persönlichen Gespräch mussten ich von meinen Krankheiten erzählen. Als ich von meiner Tetanus-Erkrankung erzählte, war der Militärarzt begeistert. Dies war auch für ihn etwas spezielles und flugs wurde dies in meinen Akten vermerkt. Damals wurde ich auch ausgemessen: Im Dienstbüchlein fand ich die Masse: 171 cm gross, 93cm Brustumfang, 27cm Oberarm und 66 kg Gewicht. Bei der Grössen-Messung muss etwas schief gegangen sein, denn in der Realität war ich damals zwischen 173-174 cm gross. Aber die Messmethode war militärisch mit einem metallenen Kopfschieber, der an einer Stange heruntergelassen wurde. Ich muss damals zusammengezuckt sein, als er auf meinen Kopf ankam!

Als Abschluss, es war bereits Nachmittag, musste jeder vor den Aushebungsoffizîer einem Oberst treten, um die Einteilung entgegenzunehmen: "Flieger und Flab Uem. Truppen" lautete das Verdickt. Wie glücklich war ich, weil ich zu meinem Schreck entdeckte, dass es auch bei der Infanterie Uebermittler gab.

Dienstbüchlein und Erkennungsmarke

Ein paar Tage später erhielt ich per Post mein persönliches "Dienstbüchlein" und meine militärische "Erkennungsmarke", die wir despektierlich "Grabstein" nannten. Die "Erkennungsmarke" ist eine teilbare oder zweiteilige Metallmarke, die vor allem zur Identifizierung toter Soldaten dienen soll. Auf ihr sind die wichtigsten persönlichen Daten wie Namen, Blutgruppe, Religion, AHV-Nummer.Die "Erkennungsmarke" trägt man an einer Kette um den Hals. Wird der Träger der Marke getötet, so kann der Finder einen Teil der Marke an einer Sollbruchstelle abtrennen, um später den Fund dokumentieren zu können.

Dienstbüchlein und Erkennungsmarke vom Aug. 1962
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Die Flieger- und Flab-Truppen

Neben den kompatanten d.h. am Boden kämpfenden Armeekorps dem "Heer" gab es in der Schweizer Armee mit den "Flieger- und Flab-Truppen" eine zweite Teilstreitkraft. Es gab zu meiner Zeit 4 Armeekorps und 1 Luftwaffe je kommandiert von einem Korps-Kommandanten. Die Fl.-und Flab-Trp. unterteilten sich wieder in die Flieger-, Flab- und die Uem und Radar-Truppen.

Später kam bei den Uebermittlern noch die Flieger-Beobachtungs- und Meldedienst (FlBMD) dazu. Eine Hilfsorganisation, die für die Beobachtung des Wetters und der feindlichen Flugbewegungen zuständig war. Sie war eine Art mobile "händische" Radar-Organisation. Sie mussten den Himmel von Auge mit Hilfe eines Feldstechers absuchen und per Telefon melden, wenn sie ein Flugzeug gesehen und erkannt hatten. Im Zeitalter der Jets und des Radar-Technik waren sie bald eine Lachnummer. Bis sie nämlich meldeten, war das feindliche Flugzeug bereits wieder ausser Landes.

Rekrutenschule Fl Na RS 33 in Dübendorf (5. Feb. - 2. Juni 1962)

Erster Tag: Einrücken in Zürich

Am 5. Feb. 1962 war es soweit. Ich hatte mich gemäss Marschbefehl in der Zürcher Infanterie-Kaserne zur 17-wöchigen Rekrutenschule einzufinden. Ich bekam eine genau Liste der Kleider und Unterwäsche, Socken, Turnzeugs und Pyjama, die ich mitnehmen durfte. Mehr war nicht erlaubt. Auch Koffer waren verboten, alles musste in einer Reisetasche Platz haben. Ich sehe heute noch vor mir das Bild, wie aus allen Himmelsrichtungen junge Männer mit kurzen Haaren und einer Reise-Tasche aus den Zügen stiegen und den Weg zur Kaserne suchten.

Angekommen in der Kaserne Zürich wurden wir mit einem "Ruhe!" begrüsst. Und ab dann war militärische Ordnung gefragt. Appell war der nächste Tagungspunkt. Namentlich wurden wir aufgerufen und in den jeweiligen militärischen Zug eingeteilt, wo wir von den Korporälen empfangen und in 4er Kolonne aufgestellt wurden. Die Rekrutenschule bestand aus 5 Zügen à je etwa 20 Mann. Von da an ging alles im Laufschritt und dann wieder warten. Die Unteroffiziere schrieen, während wir "noch Zivilisten" meinten, das gehe uns nichts an. Aber weit gefehlt. Die langsamsten und unaufmerksamsten bekamen bereits hier ein Aemtchen: Küchendienst, Fass-Mannschaft, WC-Tour, Zimmer-Chef etc.

Dann wurden wir im nahen Zeughaus eingekleidet. Alles war tiptop vorbereitet. Ein Tisch neben dem anderen. Auf jedem lag etwas, das wir brauchten. Jeder von uns erhielt seine persönliche Ausrüstung bestehend aus einen Rucksack samt Effektensack, Brotsack, Ausgangs-Uniform, Kaputt (Mantel gegen die Kälte), Helm, Gurt, 2 Paar Marsch-Schuhe, Manns-Putzzeug, Sackmesser, Gamelle und noch vieles mehr. Die Ausgangshosen hatten sie in jeder Grösse und Länge vorrätig, ebenso das Jackett. Ich musste nichts anpassen lassen. Beim Helm und dem Béret massen sie die Grösse 60-62 cm Kopfumfang. Das Béret erhielt ich sofort. Es war an Lager, aber den Helm erst etwa 1 Woche später. An Ort und Stelle mussten wir uns umziehen. Innert weniger Minuten waren wir keine Zivilisten mehr, sondern Rekruten. "Korporal, Rekrut Lehmann" musste ich ohne anzustossen in kräftigem Ton rufen. Der Drill begann!

Jetzt wusste ich auch, warum auf meinem Marschbefehl stand, dass die Reisetasche nur wenige Dinge enthalten durfte und sonst leer sein musste. Alle unsere Zivil-Klamotten kamen da hinein. Die nächsten 17 Wochen durfte ich nur die Militär-Uniform tragen, auch zu Hause im Urlaub.

Nachdem wir ausgerüstet waren und zum z'Mittag bereits unseren ersten Spatz erhalten hatten, marschierten wir zugsweise angeführt von den Korporälen in 2er-Kolonne auf den nahen Hauptbahnhof Zürich, wo wir in reservierte Wagen des Personenzugs nach Dübendorf einstiegen. Nur 15 Minuten dauerte die Fahrt bis Dübendorf. Von dort führte uns der Marsch in das Barackendorf der Flieger-Uebermittlungs-Kaserne Dübendorf, unweit vom Militärflugplatz Dübendorf.

Die Kaserne bestand aus einem 3-stöckigern Massivbau der "Aspirantenkaserne (AK)" mit ein paar Theorieräumen, sowie 2 oder 3 Schlafsälen für Soldatenden, den Schlafräumen für die Unteroffiziere und dem Krankenzimmer, sowie etwa 10 hölzernen Baracken als Unterkunft- und Ausbildungslokale. Daneben stand eine modernere Baracke für das Schulkommando und die Instruktoren.

Ich hatte das unheimliche Glück, dass der Zug Freuler, in dem ich eingeteilt wurde, nicht in den Baracken, sondern zwei 10er-Zimmer in der Aspirantenkaserne beziehen konnte. Es war Luxus im Vergleich zu den armseligen Baracken.

Die Schlaf-Baracken für die übrigen Rekruten waren sehr einfach ausgestattet. Was heisst einfach, sie bestanden aus 4 Wänden, einigen Fenstern und darin 10-20 Stahlbetten, hinter jedem Bett ein Schrank für die ganze militärische Ausrüstung und die privaten Sachen. Sehr spartanisch. Geheizt wurde mit einem Oelofen. Im Winter war es sehr kalt. Gewaschen haben die Rekruten sich im Freien in der Waschanlage mit kaltem Wasser. Duschen gab es nur 1 mal vor dem Urlaub resp. Wochenende in der AK (Aspiranten-Kaserne).

Uebermittlungs-Kaserne Dübendorf
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Barackendörfli

Sauordnung in Unterkunft (links Max, daneben Toni Führer)

Start in Dübendorf

Angekommen in Dübendorf kamen wir erstmals in Kontakt mit unseren Offizieren, dem Kp.-Kdt und den Instruktoren:

Der Tagesbefehl und Tagesablauf

Im Militär wird der Tagesablauf mit einem Tagesbefehl geregelt. Darin werden alle Tätigkeiten eines Diensttages geregelt.

Falls ich mich richtig erinnere, war Tagwache um 6 Uhr. Wir wurden durch die Wache mit dem Ruf "Auf, Tagwache" geweckt, dann galt es schnellstens aufzustehen, Zähne putzen, Frühstücken und Kantonements-Ordnung erstellen, denn um 8 Uhr war Arbeitsbeginn. Die Ordnung in der Baracke wurde von den Uofs und dem Feldwebel genauestens kontrolliert. Alle Zahnbürstchen hatten auf dieselbe Seite zu schauen. Die Betten mussten so gemacht werden, dass das Schweizerkreuz der Wolldecke unten in der Mitte der Matratze war.

Wehe, die Ordnung war mangelhaft. Das ging dann soweit, dass die Uofs die Betten umkehrten und den Inhalt der Schränke ausräumten. Wir erhielten dann Zeit, alles wieder in Ordnung zu bringen. Die verlorene Zeit ging dann auf Kosten der Mittagspause oder der abendliche Ausgang wurde gestrichen.

2-3 mal die Woche durften wir von etwa 19-22 Uhr in den Ausgang. Den ersten Ausgang erhielten wir erstmals in der 2. Woche. Zum Abendverlesen um 22 Uhr musten wir zurück in der Kaserne im Bett sein. Dies wurde durch die Korporäle streng kontrolliert. Wehe, einer kam Zu spät. Ich war nie zu spät. Ich war ein ruhiger Rekrut, der alles so gut wie möglich gemacht hat, um nicht negativ aufzufallen, wie ich es von zu Hause gewohnt war.

Ausbildung in der RS

Die 17 wöchige Rekrutenschaule teilte sich in die militärische Grundausbildung mit der Schiessverlegung als Abschluss, dann der Fachausbildung und der Fachverlegung in einer oder mehreren der Flieger und Flab-Standorte

Zug Freuler
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Zug Lt. Freuler

Gewehrreinigung

Militärische Grundausbildung und das Leben in Dübendorf

Die ersten paar Wochen waren der militärischen Grundausbildung gewidmet. In der militärischen Grundausbildung sollten wir zu Soldaten geschliffen werden. Wir lernten Disziplin und den Umgang mit unserer Waffe, sprich dem Karabiner.

Dazu erhielten wir die Exerzier-Uniform, Gamaschen und die Gasmaske, die wir für die täglichen Arbeiten anziehen mussten. Die Uniform bestand aus Hosen und Kittel sowie einem Käppi, wie sie unsere Väter und Grossväter getragen haben. Wir mussten sozusagen die alten Uniformen austragen. Wir sahen darin schrecklich aus. Jeder Feind hätte sich zu Tode gelacht, wenn er uns gesehen hätte. Später in meinen Jahren als Uof und Ofizier wurde die Exerzier-Uniform durch den Kampfanzug ersetzt.

Zusätzlich fassten wir die persönliche Munition und die Notportion bestehend aus einer kleinen Tafel dunkler Schockolade, einer Büchse Fleischkäse (wir nannten sie despektierliche "gestampfter Jud"), Bundes-Bisquits, sprich -Ziegel, eine Büchse Schmelzkäse. Wenn wir auswärts waren und darauf zugreifen mussten, verschenkten wir meistens die Bundesziegel an die Kinder, die darauf scharf waren.

Bereits am 2. Tag der RS galt es, die beiden Marschschuhe und auch den Ordonanz-Gurt einzufetten. Sowohl der Gurt, wie auch die Schuhe waren noch im Rohzustand, d.h. das Leder war zäh und hart. Mit Wasser mussten wir das Leder weich kneten und als Abschluss ein spezielles Leder-Fett mit dem Handballen ins Leder einmassieren. Je intensiver man dies tat, je geschmeidiger wurde das Leder. Ich gab mir viel Mühe und hatte deswegen grossartige Schuhe. Das Leder wurde fein und geschmeidig wie die Ausgangsschuhe. Ich hatte nie Probleme mit Blasen und Druckstellen.

In einem nöchsten Schritt lernten wir, die persönlichen Effekten zu pflegen. Viel Wert wurde darauf gelegt, dass wir "kampfbereit" blieben. Dies bedeutet z.B. dass die 3 Näh-Nadeln aus dem Mannsputzzeug nicht rostig wurden. Dies wurde bei den wöchentlichen Inspektionen, meist kurz vor dem Wochenend-Urlaub, kontrolliert. Um den Rost zu vermeiden, habe ich die Nadeln eingefettet und in ein Tüchlein eingepack. Diejenigen, an deren Nadeln die Korporale etwas Rost entdeckten, mussten alles 1 Stunde später nochmals zeigen. Dadurch haben die meisten den ersten Zug nach Hause verpasst.

Das persönliche Gewehr, den Karabiner 31 samt Bajonett, erhielten wir erst nach ein paar Tagen in einer feierlichen Zeremonie. Der Kompanie-Kdt. übergab ihn jedem einzelnen Rekruten über ein Schweizer Fahne und dazu mussten wir den Schwur für die Schweizer Armee abgeben.

Dann begann die Drill-Ausbildung an der Waffe. Auseinandernehmen und wieder zusammensetzen, bis man es im Schlaf und bei vollständiger Dunkelheit beherrschte. Kritisch war der "Schlagbolzen" im Verschluss. Wenn man hier etwas falsch machte, dann schoss er ab und musste irgendwo auf der Wiese gesucht werden.

Anschliessend galt es die verschiedenen Tragarten und die Bedienung der Waffe stunden- ja tagelang zu üben, bis man für den ersten Schuss im Schiesstand bereit war. Wir wurden darauf aufmerksam gemacht, dass der Karabiner bei Abgabe des Schusses einen mächtigen Rückschlag hätte. Ich war überrascht darüber, denn der metallene Kolben schlug beim ersten Schuss schmerzhaft auf meine Schulter auf. Ich hatte den Kolben resp. das Gewehr zu wenig stark an die Schulter gepresst. Die heutigen Waffen sind in der Beziehung angenehmer. Beim Sturmgewehr kann man aus der Hüfte schiessen, was beim Karabiner nur geübt machbar war.

Ausgang

2-3mal die Woche gab es ab 19 Uhr Ausgang. In den letzten Wochen der Rekrutenschule auch bereits um 18 Uhr, wenn man aufs Nachtessen verzichtete. Dann ging es ab in die Kneipen und Cafes von Dübendorf. Dies war der Ausgangs-Rayon. Im "Café Pavillon", trafen sich die meisten, denn dort gabs die hübschesten Mädchen aus Dübendorf, dort hatte es auch die beiden heissen Serviertöchter. An Fasnacht zeigten sie grosszügig ihre grossen Brüste und spielten auch damit. Ein Augenschmaus für uns geile Jungs.

Wie ein Lauffeuer ging die Geschichte durch unsere Baracken, dass in einem Haus via-à-vis des Kasernen-Einganges eine Frau Meier sich gerne mit einem jungen Rekruten vergnügte. Ob es der Wahrheit entsprach oder nur Männer-Fantasie war, konnte ich nie eruieren.

April 1962: Kohlenmonoxyd-Vergiftung in der Schiessverlegung auf der Bannalp

Es war während der Schiessverlegung auf der Bannalp, der Alp oberhalb Wolfenschiessen im Engelbergertal (Nidwalden). Es lag noch viel Schnee auf 1600 m Höhe. Wir Rekruten mussten Zugsweise in Viehställen schlafen. Geheizt wurde mit einem Heiz-Gebläse angetrieben durch einen Benzin-Motor. Es schneite bereits den ganzen Tag und auch die folgende Schicksals-Nacht.

Wir gingen schlafen und legten uns in unsere Militärschlafsäcke. Im Laufe der Nacht entdeckte eine Wach-Patrouille torkelnde Rekruten, die aus einem der Ställe gekrochen waren. Dies kam ihnen merkwürdig vor. Sie sahen keinen Zusammenhang mit zu viel Alkohol vom Vorabend und alarmierten sofort die Vorgesetzten. Unverzüglich wurden wir, die wir noch schliefen, aufgeweckt und aus dem Stall geschleppt. Die meisten von uns konnten nicht mehr auf eigenen Füssen stehen. Wir wollten einfach schlafen. Erst Stunden später vernahmen wir, dass wir um ein Haar an Kohlenmonoxyd-Vergiftung gestorben wären. Der Schnee hatte nämlich die Benzin-Motoren zugeschneit und deren Abgase wurden durch die Ventillatoren in den Stall geblasen. 3 Tage wurden wir vom Dienst suspendiert und durften nur kleine Spaziergänge machen. Ich habe Glück gehabt. Es ging um Minuten!

Schiessverlegung Bannalp (April 1962)
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Harte Arbeit im Schnee

Unterkunft in einem Stall

Fachausbildung

Da ich bei den "Flieger-Nachrichten- und Uebermittlungs-Truppen" eingeteilt war, hatte ich keine Kampfaufgaben wahrzunehmen. Die Kampfausbildung diente einzig dem eigenen Schutz. Ich war Uebermittler und wurde in der zweiten Hälfte der RS auf diesem Fachgebiet ausgebildet

Ich machte zwar im Vorunterricht die Morse-Ausbildeung, brauchte diese Fähigkeiten aber glücklicherweise nicht mehr. Wir benutzten und übten auf Fernschreibern des Typs Siemens T-100 samt Gretag-Chiffriergeräten TC-61. Ich lernte hier etwas, das ich Zeit meines ganzen Lebens brauchen konnte: Schreiben im 10-Finger-System.

Noch heute erinnere ich mich am damals üblichen Funktionistest der Fernschreiber. Man tippte nämlich den Satz "Kaufen sie jede Woche vier gute bequeme pelze 1234567890" und schickte ihn der Gegenstation weiter. In diesem Satz waren alle Buchstaben und Zahlen des Alphabetes enthalten. Ich benutze ihn noch heute, wenn ich meine Tastaur am PC kontrolliere.

Das Uebermittlungsverfahren damals war kompliziert und für die heutige Jugend mit den Smartphones unverständlich. Man muss wissen, dass man damals nur Punkt-zu-Punkt-Verbindungen und Sternnetze kannte. Um eine Meldung vom Flugplatz A zum Flugplatz B zu schicken, musste diese Nachricht meistens über Zwischenstationen/-Zentralen weitergeleitet werden. Dies bedeutete bei jeder Zwischenstation, dass die Meldung wiederum auf Lochstreifen ausgestanzt werden musste, bevor sie via einen anderen Fernschreiber weitergeleitet werden konnte. So war es nicht verwunderlich, dass bei diesem Verfahren oft Fehler vorkamen und Meldungen verloren gingen.


Übermittlungsanlage Fernschreiber T-100 und Chriffriergerät TC-61

"Geheimhaltung" lautete das magische Wort in der Schweizer Armee. Alles war GEHEIM, das dem "bösen" Feind Hinweise auf die Truppen liefern konnte. Sogar der Küchenplan gab Aufschluss auf die Truppenstärke. Solche Telegramme durften wir nur über "klassifizierte" oder chiffrierte Verbindungen verschicken. Die neuen Chriffriergeräte TC-61 waren während meiner Rekrutenschule eben erst in der Einführung. Es gab noch wenige davon. Um aber dennoch geheime Meldungen verschicken zu dürfen, wurden kurzerhand alle Drahtverbindungen als klassifiziert erklärt, während die UKR-Verbindungen (Richtfunk-Verbindungen von Berg zu Berg) als unsicher in Bezug auf Abhörsicherheit bezeichnet wurden.

Da in unserer Ausbildungszeit oft keine militärischen Partner sprich WK-Truppen im Dienst waren, benutzte man zwar deren Geräte in den unterirdischen Anlagen, aber verschickte Pseudo- und Fantasie-Telegramme. Diese musste man jedoch aus Sicherheitsgründen mit einem SVC (=Dienstlich) bezeichnen. Wir machten uns den Spass, vielen Mist übers Netz zu schaufeln, denn wir mussten ununterbrochen üben. Aber manchmal ging dennoch etwas schief, weil einer das "SVC" vergass.

Einmal hat ein Soldat etwas übertrieben und seiner Fantasie freien Lauf gelassen. Er schickte eine fingierte Meldung an das Kdo Flugplatz Mollis und befahl darin, unverzüglich den ganzen Flugplatz auf die Autobahn bei Egerkingen zu verschieben. Dort war damals ein langes Autobahnstück als Reserve-Flugplatz vorbereitet. Er vergass das "SVC" anzufügen.

Ein paar Stunden später fiel es dem Kdo Flieger und Flab auf, dass der Flugplatz Mollis nicht mehr erreichbar war. Er existierte schlicht nicht mehr, weil man auch die Fernschreibverbindungen gekappt hatte. Mittels Telefon hat man unverzüglich das Missverständnis aufgeklärt und die abmarschbereiten Truppen wieder zurückgeschickt. Unser Soldat wurde nicht etwa bestraft, sondern gelobt, weil er eine grosse Schwäche im Uebermittlungs-System aufdeckte. Der damalige Flugplatz-Kdt. hingegen musste ein paar Jahre länger auf seine Beföderung zum Oberten warten. Er hätte nämlich zurückrufen und den Befehl verifizieren sollen.

Einen Teil der Fachverlegung habe ich in der Kaserne Andermatt verbracht. Tief in einem Stollen des Gotthard-Massivs wenige Meter oberhalb der Teufelsbrücke war unsere Uebermittlungs-Zentrale. Dazu mussten wir mit dem Lastwagen tief in den Berg hinein fahren, bis wir auf einmal vor einem Holz-Chalet standen, wie es überall draussen zu sehen war. Im Innern installierten wir unsere Fernschreiber Siemens T-100 und die Chiffriergeräte TC-61 . Es war heimelig drinnen. Durch die Fenster sah man ins bergige Oberland. Sobald man die Fenster aber öffnete, starrte man nur an die Felswand. Das Bild der Berglandschaft war ein Foto anstelle der Glasscheibe. Ueber starke Gebläse wurde die Luftzirkulation in der gewaltigen unterirdischen Stollen-Anlage sichergestellt. Das Chalet war gemütlich. Eines der Zimmer war als Aufenthaltsraum rustikal eingerichtet. Da die Luftfeuchtigkeit dennoch recht hoch war, musste sich jeder warm anziehen.

Mai 1962: Die 5 Sieger des Waffenlauf nach Hospenthal und zurück
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v.l.n.r.: Leonhardt, Max, K.Gfeller, Ammann, Caprez

Unteroffiziers-Anwärter

Bereits zu Beginn der RS wurde gefragt, wer Unteroffizier werden möchte. Zu der damaligen Zeit hatte es noch genügend Anwärter. Die Vorgesetzten konnten auswählen. Auch ich meldete mich, obwohl ich die Lehre noch nicht abgeschlossen hatte. Als Unteroffiziers-Anwärter mussten wir zusätzliche Uebungen absolvieren und wurden genauer beobachtet.

In der Fachverlegung stand zum Beispiel ein Waffenlauf mit der Sturmpackung und Militärschuhen von Andermatt nach Hospenthal und zurück über etwa 10 km auf dem Programm. Es wurde in hartes Rennen. Ich konnte problemlos bei den besten mithalten. Zum Schluss waren wir 5 Rekruten gleichauf. Keiner konnte sich absetzten und jeder war froh, nicht zu verlieren. So rannten wir Arm in Arm zu fünft ins Ziel und durften uns alle als Sieger fühlen.

Urlaub

Normalerweise konnten wir am Wochenende nach Hause fahren. Man nannte dies Urlaub. Zweimal gab es einen grossen Urlaub von 3 Tagen, meist über die Feiertage wie Ostern. Ein- oder, wenn man Pech hatte, auch zweimal musste man am Wochenende Wache schieben, d.h. man musste die Kasernen-Anlage bewachen.

Den Urlaub selber musste jedesmal verdient werden. Man durfte erst gehen, wenn die ganze Truppe marschbereit war, d.h. alles Material musste auf Sauberkeit und Vollständigkeit kontrolliert sein. Dafür stand der Samstag-Morgen zur Verfügung.

Man putzte und putzte. Zählte das Material im Mat.-Magazin der Kompanie auf Vollständigkeit. Wehe, etwas fehlte. In dem Falle wurde gesucht und nochmals alles durchgezählt. Und zum Schluss musste die Inspektion des persönlichen Korps-Materials bestanden sein. Dazu erstellte man die Auslege-Ordnung, d.h. alle kleinen und grösseren Dinger wurden auf einer Zelt-Plane in einer genau festgelegten Ordnung ausgelegt. Dann kontrollierte der Uof. ob alles vorhanden und sauber gereinigt war. Kritisch waren die Schuhe, denn da durfte auch auf der Sohle kein Krümel Schmutz zu entdecken sein. Beim Reinigen der Schuhe kam erschwerend hinzu, dass man die vom Marsch verdreckten Schuhe nicht nass reinigen durfte. Man musste den Schmutz und die Lehmerde mit der Schuhbürste herausbürsten. Kritisch und beliebt bei den Unter-Offizieren waren auch die 3 Nähnadeln, die typischerweise nicht aus rostfreiem Material gefertigt waren. Sie mussten vorhanden sein und durften keinen Rostansatz zeigen.

In der ganzen Welt kauft man die berühmten roten Schweizer Militärmesser. Diese sind allesamt rostfrei, im Gegensatz zu den im Schweizer Militär ausgehändigten. Auch das Bajonett war nicht rostfrei. Deshalb fettete jeder von uns das Bajonett und das Sackmesser mit Gewehrfett ein. Zusätzlich habe ich das Sackmesser in einem Plastikbeutel eingepackt und nie gebraucht. Mit meinem privaten Offiziersmesser schnitt ich den Käse, das Brot oder spitzte auch Zweige zu. Dieses habe ich im Geschäft gekauft und war rostfrei.

Wenn irgendetwas bei der Inspektion schlecht war, erhielt jeder eine zweite Chance. Er durfte alles 1 Stunde später nochmals zeigen, aber der Zug nach Hause war mittlerweilen weg. Manchmal kam es auch vor, dass eine ganze Baracke 1 Stunde bleiben musste, weil die Zimmer-Ordung nicht optimal war. Da jeder Rekrut im Minimum 2 Stunde Reisezeit bis nach Hause brauchte, kamen viele erste spät am Samstag zu Hause an. Dies ist ein typisches Beispiel, wie damals mit der Angst und der Macht erzogen wurde. Vorallem bei den Instruktions-Offizieren war perverse Machtausübung üblich. Unser Schulkdt Major Bärtsch war ein typisches Beispiel einer Mannes voller Minderwertigkeits-Komplexe, der diese mit boshaften Spielen auslebte. Er war klein, fett und rund!

Die Wehrmänner in Uniform duften zum halben Preis mit der SBB-Eisenbahn nach Hause fahren. Meistens war ich zu Hause todmüde und schlief den ganzen Urlaub über, denn ich mochte nicht in Uniform in die Stadt. In der Tat, es bestand im Urlaub Tragpflicht der Uniform. Es war auch verboten, ins Ausland zu reisen, auch nicht ins nahe Elsass!

Auf die grossen Urlaube erhielt jeder ein gratis Zugs-Ticket, üblicherweise nach Hause, aber auch an eine andere Destination. Dies nutzte ich aus und fuhr z.B. zum Skifahren in die Berge.

Unteroffiziersschule Fl. Na. UOS 33 (6. Jan. - 1. Feb. 1964)

Die 4-wöchige "UOS" fand unmittelbar vor dem Abverdienen des erworbenen Uof-Grades in Dübendorf statt. Sie startete in meinem Fall bei grösster Kälte im tiefsten Winter. Der Zürichsee war zugefroren.

Die militärischen Reglemente

Alles militärische war in Reglementen geregelt und dort wo es noch keine Reglemente gab, wurden vervieltfältigte Beiblätter verteilt.

Bereits als Rekrut bekam ich meine ersten Reglemente wie das Soldatenbuch, das Dienstreglement, die Kameradenhilfe und das Turnreglement. Später als Unteroffizier kamen 12 weitere und in resp. nach der Offiziersschule weitere 30-40 dazu. Prinzipiell sollten wir den Inhalt aller abgegebenen Reglemente genauestens kennen, denn bei Nichtbefolgen wurden wir bestraft oder im schlimmsten Fall sogar vor Gericht gestellt.

Als oberstes Reglement galt das "Dienstreglement". Es legte die Rechte und Pflichten des Wehrmanns fest. Im "Turn-Reglement" wurden die militärischen Turnübungen beschrieben. Jede Bewegung war darin festgelegt. Es war eher ein militärisches Exerzieren in Turnkleidung, als befreiendes Turnen. Man zählte laut und vernehmlich zu den Uebungen. Ich erinnere mich noch gut, dass man in gewissen Streckübungen die Fersen am Boden halten musste, obwohl dies gegen alle Regeln des modernen Turnens widersprach.

In den Fällen, in denen es noch kein Reglement gab, wurden vervielfältigte Beiblätter abgegeben. So eines war das "Rucksack-Beiblatt". Darin wurde beschrieben, sprich festgelegt, wie der Rucksack gepackt werden musste. Es gab zwei Packungen. Die "Gefechts-Packung" und die "Voll-Packungn". Die "Gefechts-Packung" enthielt nur das wichtigste Gepäck für den Einsatz. Sie war nicht so schwer. Ich erinnere mich knapp an 10 kg. In der "Voll-Packung" war die ganze Ausrüstung im Rucksack und im darauf geschnallten Effekten-Sack eingepackt. Sie war bestimmt um die 25 kg schwer.

Uof-Abverdienen unter Lt Steck
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Lt. Steck mit seinen beiden Uof Geissberger und Lehmann.
Man beachte die umgehängten Gas-Masken

Eltern-Besuchstag mit Lt Steck und Lt Steiner

Uof-Abverdienen in der Fl. Na. RS. 33 in Dübendorf (3. Feb. - 30. Mai 1964)

Mein Zugführer war Lt. Hans-Peter Steck aus Thun. Er war ein Frauenheld und Bluffer. Er bluffte mit seinem Medizin-Studium. Hat aber nach meiner Information nie studiert. Aber mit diesem Bluff brachte er es im Militär weit. Und später auch im Zivilleben im Zeughaus Thun

Trotz dieser etwas eigenartigen Charakter-Eigenschaft war er ein guter Zugführer. Er war 2-sprachig deutsch und französisch, und war ein guter Vorgesetzter. Ich hatte nichts auszusetzen, denn seine Medizin-Fantasie hat mich nie berührt.

Als Privileg und optischem Unterschied zu den Soldaten trugen wir Unteroffiziere beim Exerzieren und im Fachdienst eine andere Mütze als die Rekruten. Zudem bekamen wir eine Kartentasche, in der ein Notizblock, Bleistift und das eine oder andere Reglement Platz hatten. Für den Ausgang erhielten wir einen neuen Ausgangs-Kittel. Den "Alten" aus der Rekrutenschule trugen wir neu als Arbeits-Kittel beim Exerzieren und im Fachdienst. Als Rangabzeichen wurde am Aermel ein goldener Winkel aufgenäht.

Ich meldete mich als Offiziers-Anwärter. Die Selektion war hart und mit einigen zusätzlichen Aufgaben verbunden. Mehrmals in der RS wurden wir Anwärter zu Spezial-Uebungen aufgeboten oder nachts aus dem Schlaf heraus alarmiert zu Nachtmärschen um den Flugplatz Dübendorf, Orientierungsläufe, Schiessen etc.

Am Ende der Rekrutenschule erhielt ich den Offiziers-Vorschlag, obwohl ich doch erst im Jahr zuvor die Laboranten-Prüfung bestanden hatte. Normalerweise musste man studieren oder mindestens die Matura vorweisen. Ich jedoch plante erst den Besuch des Technikums.

Uof-Abverdienen im Frühjahr 1964
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März 1964: Kpl Max Lehmann

Fotos des Zug Steck

Max beim Filmen, mit Kpl. Geissberger

Offiziersschule Fl. u. Flab. OS2 in Dübendorf (13. Juli - 7. Nov. 1964)

Aufgebot zur Offiziersschule
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Gefechtsschiessen
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Mitten im Sommer, am 13. Juli 1964 um 14:00 Uhr musste ich in die Offiziers-Kaserne Dübendorf einrücken. In diesem Jahrgang waren neben einer Uem-Klasse, je 2 Flab- und Piloten-Klassen. In der "OK", sprich Offiziers-Kaserne, war unsere Unterkunft. Im selben Gebäude wurden wir Aspiranten in der Offiziers-Kantine verpflegt.

Major i.Gst. René Gurtner genannt "Gu" war mein Klassenlehrer und Adj Bühler genannt "Bü" seine rechte Hand.Adj Bü war ein Vermittler zwischen uns Aspiranten und dem strengen Gu. Oberst Max Wüthrich war Kdt der Offiziersschule.

"Gu" war eine Respekts-Person. Ein hochgebildeter Ausbildner. Er konnte in seinen Vorträgen faszinieren. Er war unser Vorbild und wirkte wie ein strenger Vater. Deswegen hassten wir ihn auch nicht, obwohl er streng zu uns war und keine schlechten Leistungen duldete. Wir liebten ihn und wären mit ihm durchs Feuer gegangen.

In einer der ersten Aktivitäten erhielten wir in einer feierlichen Zeremonie für die Dauer der Offiziersschule das neue Sturmgewehr 57 als Ersatz des Karabiners 31 und als zukünftige Offizierswaffe die persönliche Pistole 49 von SIG Kaliber 9mm. Im Gegensatz zum Karabiner, der im Magazin nur 6 Schuss hatte, hatten im Stgw-Magazin 24 Schuss Platz. Diese konnten einzeln oder auch automatisch im Seriefeuer abgegeben werden.

Die Ausbildung an diesen beiden Waffen nahm viel Zeit in Anspruch. Obwohl für uns Offiziere die Pistole die persönliche Waffe war, mussten wir das Sturmgewehr beherrschen, denn unsere zukünftigen Rekruten wurden mit dieser Waffe ausgerüstet. Wir übten die Handhabung bis zur Bewusstlosigkeit. Am Schluss der Offiziersschule konnte ich die Pistole samt Munition nach Hause nehmen.

Als Aspirant änderte auch die Kleidung. Wir erhielten einen steifen Hut ohne irgendeinen Bändel, den Offiziersdolch aber noch ohne Schlagband, eine feine Hose für den Ausgang und einen neuen Kittel.

Das Militär-Fahrrad

Jeder Aspirant erhielt ein persönliches Militärfahrrad, ein Göppel mit Rücktritt und ohne Gänge. Mit dem Militärfahrrad verschoben wir uns zu den einzelnen Ausbildungsplätzen auf dem Flugplatz, wo wir exerzierten, dem Schiesstand und in die Aspirantenkaserne, wo wir Theorie hatten.

Als wir die Fahrräder bekamen, mussten wir als erstes lernen, wie man militärisch Rad fährt, wie man während der Fahrt Vorgesetzte grüsst, wie man die Achtungsstellung stehend neben dem Fahrrad macht, wie man aufs Fahrrad aufsteigte, nach 3 Abstössen, wie man nach rechts und links zeigt und vieles mehr. Mehrere Stunden mussten wir dies üben. Es war wie im militärischen Turnen: Drill, Drill, Drill ...ein kompletter Blödsinn!

Diese Hin- und Herfahrerei war oftmals sehr gefählich. Wir Aspiranten machten jeweils daraus ein Rennen, was jedoch schwer verboten war. Einmal, so kann ich mich erinnern, bekamen 2 Aspiranten beladen mit einem Rucksack die Kurve nicht, rasten übers Trottoir und flogen über den Gartenzaun eines Einfamilienhauses in den Vorgarten. Dem Fahrrad selber hat es abgesehen von einem Plattfuss nichts gemacht, auch nicht den beiden Aspiranten, aber die Pflanzen! Es gab ein grosses Theater durch den Schulkdt. Die fehlbaren Aspiranten bekamen 3 Tage Arrest.

Fahren mit dem Jeep

Jeder der bereits privat einen Führerausweis hatte, konnte auch den militärischen Führerausweis machen. Dazu musste ich auf dem Kasernen-Areal mit einem Jeep herum fahren und das unsynchronisierte 3- oder 4-Gang-Getriebe sauber schalten. Berüchtig war der "Jimmy", wie der Motorfahrer-Adjutant immer warnte. Schneller als 60 km/h war deshalb nicht erlaubt, weil der "hochbeinige" Jeep bei grösseren Geschwindigkeiten ins Schlingern kommen und sich überschlagen konnte. Stossdämpfer hatte er noch keine.

Einen grossen Ausflug mit den Jeeps machten wir im Rahmen der Landesausstellung 1964. Wir fuhren nach Biere zur "Panzerschlacht". Uebernachtet haben wir in der Kaserne Payerne. Voraus fuhr Gu in seinem Instruktoren-VW und wir dahinter. Oft fuhr er schneller als die erlaubten 60 km/h, weil wir zeitlich im Rückstand waren. Er zeigte uns den Weg in die Kaserne Payerne und wir fuhren mit vollem Speed hinein, wie wenn wir die Kaserne erobern wollten. Dies hat dem Platz-Kdt gar nicht gefallen. Er kam heraus und machte unseren armen Gu zur Schnecke. Gu tat uns echt leid, denn wir waren die Verursacher.

In der damaligen Armee war die Hierarchie entscheidend für die Befehlsgewalt der jeweiligen Person. Gu war nur Major, der Platzkdt aber Oberst. So konnte der Oberst den armen Gu vor uns zur Schnecke machen. Man muss aber wissen, dass jeder Berufsmilitär automatisch bis zum Oberst befördert wurde, ob er nun eine Granate oder eine Eichel war. Nur die Generalstabsoffiziere und die Generals-Grade mussten diese durch hohe Qualität und starke Leistung erarbeiten.

Drill, Achtungsstellung und Marschübungen

Drill war zu meiner Zeit das A und O im Militär. Drill wurde damit begründet, dass man auch bei grösstem Gefechtslärm und Lebensgefahr die Waffe noch bedienen können muss. Da hat man keine Zeit, zu überlegen, da muss alles automatisch ablaufen. Aus diesem Grunde wurde die Waffenhandhabung eingeübt, bis man die Waffe auch im Schlaf handhaben konnte.

Kontrolle der Achtungsstellung
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Die "Achtungsstellung" wurde alle paar Wochen fotografiert. Anhand dieser Fotos wurden wir korrigiert. Oh, war dies mühsam. Einmal hatte ich ein hohles Kreuz und der Bauch stand zu weit nach vorne, dann waren die Hände nicht auf der Hosennaht, ein anderes Mal schaute das Kinn aufwärts oder die Schulter war verdreht.

Auch Marschübungen wurden drillmässig geübt. Ich muss gestehen, niemand wusste, wieweit Marschübungen einem im Kampfe helfen sollten. Aber es gehörte zur militärischen Ausbildung und Tradition. Jeder von uns Aspiranten musste lernen, die Klasse zu kommandieren. Dazu gab es auch ein Reglement, in dem jeder Befehl und jeder Schritt festgelegt war.

Wir übten auf dem Flugplatz vor dem UeG-Gebaude (Kaserne des Ueberwachungsgeschwader). Diese Drill-Uebungen haben uns Freude gemacht. Wenn Gu nicht dabei war, übten wir spezielle Show-Figuren und -Formationen, die wir aus Fernsehen-Uebertragungen der englischen oder amerikanischen Armee kannten. Selbstverständlich benutzten wir dazu die englischen Befehle. Wir hatten bald ein tolles Programm zusammen.

Als ich einmal der Chef war und kommandierte, sah ich aus dem Augenwinkel, wie sich Gu hinter einem Auto versteckte und uns bei den amerikanischen Uebungen zuschaute. Ich realisierte, nun mussten wir unsere beste Show zeigen. Wir boten ein Programm, das sich gewaschen hatte. Als Abschluss liess ich die Klasse zu besagtem Auto marschieren, hinter dem sich Gu versteckte, und meldete ihm seine Aspiranten-Klasse zu seiner Verfügung.

Typisch Gu. Keine Schelte, im Gegenteil. Er übernahm die Klasse und befahl einige der speziellen Figuren. Er war begeistert, meinte aber, dass er diese nur akzeptiere, wenn wir unsere obligatorischen "Schweizer" Marschübungen zur vollen Zufriedenheit beherrschen würden.

Anlässlich der Abschluss-Inspektion vor dem Ausbildungschef Oberstkkdt Robert Frick hatte uns Gu eingeschäft, uns auf die Schweizer Marsch-Uebungen zu konzentrieren. Unser Aspirant, der befehlen musste, konnte es aber als Abschluss unseres Programmes nicht lassen, und hat ein paar amerikanische Figuren eingepackt. Er bekam grosses Lob vom inspizierenden Ausbildungschef.

Es war die Zeit der Beschaffung eines neuen Kampfflugzeuges, die in einem Skandal und Desaster endete, und unter dem Namen "Mirage-Skandal" berühmt wurde. Für die Inspektion bei uns war der Kdt Flieger und Flabtruppen Divisionär Primault vorgesehen. Er wurde jedoch wenige Tage davor aus dem Dienste entlassen. Einige Tage später traten auch der Generalstabschef Annasohn und Bundesrat Chaudet zurück.

Die Offiziers-Uniform und Offiziers-Koffer

Als Offizier brauchte man zwei zusätzliche Uniformen. Die Gala- und Ausgangs-Uniform massgefertigt von einem darauf spezialisierten Schneider aus feinstem Stoff und gefüttertem Brustbereich .... und zusätzlich die feine Arbeits-Uniform, die wir KTA-Uniform (Kriegs-Technische Abteilung) nannten, weil sie von den Schneidern des Militärs ab Stange angepasst wurde.

Bereits vor Beginn der Offiziersschule haben sich verschiedene Schneider bei mir gemeldet, um die feine Aspiranten-Hose sowie die Offiziers-Uniformen nach Mass anfertigen zu dürfen. Das ganze war nicht billig, aber wir erhielten vom Staat eine einmalige Uniform-Entschädigung, die die Kosten in etwa abdeckte.

Für weitere Kosten, die durch Anpassungen und Abnützungen entstanden, mussten wir selber aufkommen, d.h. wir bekamen für jeden Diensttag mit dem Sold eine Uniform-Entschädigung von ein paar Franken.

Zu jener Zeit war jeder zukünftige Offizier ohne überflüssiges Fett, denn wir erbrachten in der Offiziersschule jeden Tag körperliche Höchstleistungen. Keiner ahnte, dass er Monate und Jahre nach den harten Strapazen schnell Gewicht zunehmen würde. Aus diesem Grund konnte ich die Gala-Uniform nur in den ersten 2-3 Jahren tragen.

Da die Uniformen niemals im Ordonanz-Rucksack transportiert werden konnten, erhielt jeder Offizier, bereits in der Offiziersschule, einen schwarzen massiven Holz-Koffer. Darin mussten wir aber auch alle Reglemente und vorallem auch die beiden steifen Hüte versorgen. Während meiner ganzen Militär-Karriere habe ich nie alle meine Militär-Utensilien in die Of-Kiste gebracht. Ich nahm immer einen zusätzlichen Privat-Koffer mit. Dies war aber nur möglich, weil ich mit dem Privat-PW einrücken konnte.

Unfall meiner Eltern und Tod meines Vaters in England

Am 5. August 1964 mitten im Schiessen auf dem Pistolen-Schiessstand in Wangen wurde ich zum Schulkdt Oberst Wüthrich befohlen. Dort teilte er mir mit, dass meine Eltern in England einen schweren Autounfall hatten und mein Vater dabei verstorben sei. Er sprach mir mein Beileid aus. Ich soll mit unserem Familien-Anwalt Dr. Andreas Saxer nach England fliegen und alles regeln. Er gebe mir dazu 2 Wochen Sonder-Urlaub mit der Bewilligung, die Schweiz zu verlassen. Mehr könne er mir nicht geben, denn dann müsste ich die Offiziersschule wiederholen. Am 18. August meldete ich mich wieder zurück und setzte meine Offiziersschule fort.

⇒ Mehr über meine Erlebnisse in England berichte ich im Kapitel "Tod meines Vaters".

Abschlussmarsch über 100km

Der traditionelle "100 km Marsch" war eine Art körperliche Abschlussprüfung der Offiziersschule und sollte den Aspiranten an die Grenze seiner körperliche Belastungsfähigkeit bringen. Auch ich hatte grossen Respekt vor dieser Uebung, die über 24 Stunden dauerte.

In der Spielanlage waren wir ein versprengter 4er-Trupp, der durch Feindesland zu seiner Einheit zurück marschieren musste. Wir trugen unsere Kampfpackung. Wir starteten abends um 17 Uhr im Raume Eglisau und kamen am späteren Nachmittag des Folgetages in Uznach an. Es war ein Postenmarsch mit vielen Hindernissen und Aufgaben. Einmal gab es 2 Stunden Neutralisation, um zu schlafen. Mein Trupp ging in einen Kuhstall und wir legten uns zum schlafen zwischen die Kühe. Es war warm. Eine schiss mir auf die Schuhe mit Gamaschen, was mich aber nicht störte. Erstaunlich für mich war, wie stark durch die körperliche Ermüdung das Konzentrationsvermögen und die Entschlussfähigkeit nachliess. Bei Ankunft am Ziel habe ich Sauser getrunken, dazu Schnitzel und Pommes-Frites, bis er mir unten wieder hinauslief. Ich war stolz. Ich hatte es geschafft. Ich habe es weiter gebracht, als mein Vater.

6. Nov. 1964: Die Brevetierung und der Offiziersball

Der Höhepunkt der Offiziersschule war neben dem 100km-Marsch ohne Zweifel die Brevetierung in der Wasserkirche an der Limmat in Zürich und der Offiziersball im Grand Hotel Dolder. Anlässlich der Bevetierung erhielten wir das "Schlagband mit weisser Eichel" zum Offiziersdolch. Das Wetter spielte mit. Es waren viele Zuschauer und Angehörige anwesend.

Dieser Anlass musste vorbereitet werden. Ich war Mitglied im Org. Komitee. Alle unsere Beschlüsse mussten wir dem Schulkdt vorlegen. Er stimmte zu oder lehnte sie ab. Beim Vorschlag "César Kaiser" war er nicht allzu glücklich, weil sein Engagement teuer war. Der Komiker César Kaiser und Margrit Läubli kosteten allein Fr. 5'000.-- für eine 1 stündige Vorstellung. Unser Gesamt Budget betrug 11'000 Franken. Darin musste aber auch eine Tanz-Kapelle Platz haben.

Erstmals durften wir unsere Leutnants-Gala-Uniform, mit Stoffgurt, Dolch und weissem Hemd, sowie dem Gala-Hut mit einem goldenen Spaghetti tragen. Ich war unendlich stolz und sah auch gut aus.

Offiziers-Ball im Grand Hotel Dolder
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Mit Heidi am Offiziersball

Heidi und Max am Offiziersball

Zur Vorbereitung gehörte es auch, dass man eine Begleiterin für den Offiziersball hatte. Nicht alle hatten eine Freundin.

Einer machte zum grossen Aerger des Schulkdt. ein Inserat in eine Zürcher Zeitung "Begleitung zum Offiziersball gesucht". Der Oberst Wüthrich meinte, dies sei Offiziers-unwürdig. Der Aspirant hätte sich bei ihm melden und um seine Tochter fragen können.

Ich hatte damals noch keine Weibergeschichten. So stellte sich bei mir die Frage, wer kam als Partnerin in Frage. Ich erinnerte mich an Heidi Borer, sie war 2 Jahre vorher, d.h. vor der RS meine Freundin, meine bisher einzige Freundin. Ich weiss nicht mehr, wie ich sie fragte. Aber sie sagte zu und kam in einem schönen Ballkleid. Zu der Zeit gab es noch kein gemeinsames Uebernachten im selben Hotel-Zimmer. Heidi übernachtete bei Verwandten und ich in der Kaserne Dübendorf.

Als Vorbereitung zum feierlichen Anlass galt es das "Benimm Dich" zu erlernen. Dazu gab es als Ausbildung mehrere Instruktoren-Stunden. Wir übten alles in der Klasse. Der eine als Offizier, der andere als Dame. Wie stellt man seine Partnerin vor? Einem höher gestellten wie dem Schul-Kdt. oder einem Aelteren. In diesen "Benimm-Dich" Lektionen lernte ich auch, wie man mit der rechten Hand mit Löffel und Gabel korrekt servierte. Ich brachte dies zur Meisterschaft und konnte Zeit meines Lebens auf diese Art sogar Pommes-Frites auf einen Teller platzieren.

Offiziers-Diplom
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Leutnant Abverdienen in Fl. Na. RS. 33 in Dübendorf (1. Feb. - 29. Mai 1965)

Mein Kp Kdt war Oblt Enz. Er war bereits etwas älter, aber ein lieber Vorgesetzter. In seiner früheren Vergangenheit hatte er als Kaffee-Tester resp. Verkoster gearbeitet. Er hatte den dafür notwendigen Geruchs- und Geschmackssinn.

Das Ziel des "Abverdienen des Offiziers-Grades" war es, das in der Offiziersschule gelernte, anzuwenden. Als Leutnant war man Zugführer. Ich führte einen Zug von 25 Rekruten und 4 Unteroffizieren.

Auch diesen Militärdienst verbrachte ich in Dübendorf. Untergebracht waren wir Offiziere in einem Einzelzimmern in der OK (Offizierskaserne) und assen in der dortigen Kantine. Unsere Uniform und Ausrüstung mussten wir nicht selber putzen. Wir hatten einen Offiziersputz, den wir aber bezahlen mussten, erhielten dafür eine Entschädigung mit dem Sold. Wir Offiziere hatten kein Zimmerverlesen und waren frei, sobald die tägliche Arbeit beendet war und die Kompanie im Ausgang war. Wir mussten einfach bei Arbeitsbeginn anwesend sein.

Als Leutnant waren wir eine Respekts-Person. Wir mussten für die Heimfahrt in der SBB 1. Klasse fahren. Zudem durften oder sollten wir dunkle lederne Handschuhe tragen. Den Offiziers-Stoffgurt trugen wir nur im Ausgang und Urlaub.

Das hin- und herfahren zum Barackendörfli der Rekrutenschule machten wir mit dem Militärfahrrad. Dies wurde jedes Mal zu einem Rennen, denn die Zeit war jeweilen knapp zwischen unserem Essen und dem Arbeitsbeginn bei der Truppe.

Wir waren noch alle jung und voller Testosteron. Um die 21-23 Jahre alt. Wir haben viel Blödsinn gemacht. Einmal sind wir mit einem Sportswagen mit total überhöhter Geschwindigkeit bis nach Effretikon gerast, um ein Mädchen zu besuchen. Wir hätten alle tot sein können, denn wir waren stock-betrunken.

Es war Ehrensache, dass ein Offizier in allen Belangen der Beste war und alle Uebungen vormachen konnte. Dies galt auch für mich. Ich war auch in allen Belangen stärker, härter und ausdauernder. Die Strapazen der Offizierschule hatten mich gestählt.

Ich hatte jedoch eine Schwäche: auf der Kampfbahn hasste ich den Stufenbalken mit den 5 oder 6 Balken. Mir fehlte schlichtweg der Mut und ich hatte Angst, mit einem Bein auf einem Balken auszurutschen und auf mein "Familien-Glück" zu stürzen. Ich hatte aber das Glück, einen zwar bereits 28-jährigen Rekruten in meinem Zug zu haben, der 5 Jahre Fremdenlegion hinter sich hatte. Er war auf der Kampfbahn zu Hause und einsame Klasse. Er bewältigte den Stufenbalken problemlos oder kletterte die 5-7-m hohe Strickleiter hoch und liess sich kopfvorann wieder hinunter gleiten. Er konnte auch eine Handgranate "tempierend" werfen, sodass sie unmittelbar beim Aufschlagen am Ziel explodierte. Dies war zwar verboten in der Schweiz, aber er machte es dennoch und todsicher. Er war eine echte "Kampfsau".

"Als Offizier kamen wir sportlich zu kurz", so wenigstens war unsere Argumentation gegenüber dem Schulkdt Oberst Bärtsch. Wir wollten nämlich seine Zustimmung zum Reitunterricht in der nahen Reithalle. Wir hatten die "Furz-"Idee, an der Schluss-Inspektion hoch zu Ross zu erscheinen. Unser Reitlehrer hat uns diese Flause schnell aus dem Kopf getrieben. Es sei zu gefährlich, meinte der gebürtige Ungare. Aber wir gingen dennoch jede Woche 1-2 mal zum Reiten. Wir hatten zwar keine richtigen Stiefel und Hosen, wir zogen uns Gamaschen über die Ausgangs-Halbschuhe an. Bald merkten wir, warum die richtigen Reiter enge, lederne Innenflächen an den Reithosen tragen. Wir litten bald unter wunden Innenschenkeln, dem "Wolf".

Schiessverlegung April 1965 im Toggenburg
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Anlässlich der Abschluss-Inspektion Ende Mai lag ich mit Angina im Krankenzimmer resp. im Bett. Ich stand nur auf, um das militärische Turnen vorzuführen, das total in die Hosen ging, weil ich diese blöden Uebungen vorher nie machte ...und zum Zug-Exerzieren, das recht gut gelang. Der Militärarzt überwies mich mit Zeugnis zu einem Zivilarzt, um meine Mandeln operieren zu lassen. Er meinte, als Offizier bezahlt die Militäversicherung nicht nur einen Privatarzt sondn auch die Privat-Abteilung im Spital.

Nach dem Abverdienen begab ich mich in Basel zum Haus-Arzt, der mir ebenfalls empfahl, meine Mandeln herausschneiden zu lassen. Ich kam in die Bethesda-Klinik, wo ich ein 2-Bett-Zimmer mit dem Verteidiger des FC Basel Roland Paolucchi teilte.

Dachdecker-Kurs (8. - 20. Nov. 1965)

Um nach 5 Jahren vom Leutnant zum Oberleutnant befödert zu werden, musste man einen 2 wöchigen "Dachdecker-Kurs" absolvieren. In ihm sollten die fachlichen Kenntnisse aufgefrischt werden. Diesen Kurs machte ich jedoch bereits 1 Jahr nach der Brevetierung als Leutnant, was nicht unbedingt der Sinn war, aber ich erfüllte damit die reglementarischen Anforderungen.

Die zwei Wochen wurden zu einem unvergesslichen aber auch kostspieligen Erlebnis, denn jeden Abend besuchten wir ein gutes und bekanntes Restaurant. Der Sold reichte niemals, um das feine Essen zu bezahlen. Der Leiter des Kurses war der damalige Major und spätere Kdt der Uem Trp Divisionär Josef Biedermann. Er war ein "Pfunds-Kerl".

Einer der "militärischen" Höhepunkte war die Teilnahme am Jubiläums-Morgarten Schiessen mit der Pistole. Vor 650 Jahren fand diese denkwürdige Schlacht statt. Ich erinnere mich noch bestens an die Erzählung, wie die Schweizer Bauern die österreichischen Ritter in den See trieben. Sie liessen nämlich gefällte Baumstämme den Hang herunterrollen und die armen Rittersleut ertranken jämmerlich in ihren schweren Rüstungen.

1½ Wochen bildeten wir uns weiter in der Schweizer-Geschichte, besichtigten Radar- und Uem.-Anlagen und assen wie Könige. In den letzten 2 Tagen krampften wir wie die Teufel. Als Abschlussarbeit erstellten wir eine Uebermittlungs-Uebung mit Drehbuch und allen Telegrammen, die man mehrmals durchspielen konnte. Da es damals noch keine Kopierer gab, schrieben wir alles auf Matritzen und vervielfältigten es.

Erlebnisse in meinen WK's

Ich habe 15 WKs in 3 verschiedenen Einheiten und Orten abgeleistet.

Im Jahre 1982 leistete ich mir einen eigenartigen Lapsus. Ich ging nicht zum Obligatorischen, weil ich annahm, im WK gewschossen zu haben und deshalb das Obligatorische nicht machen zu müssen. Dem war aber nicht so. Ich kam mit einem Verweis davon und musste nicht 3 Tage aufs Gitterli zum Nachschiesskurs.

Wk 1963 bei der Fl Fk Kp 7 in Brienz

Angefangen hat es noch als Soldat, bevor ich die Uof-Schule besuchte, mit einem WK in Brienz in der Fl Fk Kp 7.

Zwischen der RS und der Unteroffiziersschule machte ich meinem einzigen WK als Soldat in Brienz. Brienz blieb unvergesslich, weil ich dort mir den grössten Suff aller Zeiten mit Pernod holte. Seither bin ich Aenis-geschädigt und mag weder Aenis-Weihnachtsgebäck noch Fenchel. Ich war 3 Tage praktisch tot und rückte nur kurz aus, um mich sofort wieder hinzulegen. Unvergesslich blieb Brienz aber auch deshalb, weil im zentralen Restaurant eine grossbusige Servier-Tochter uns Soldaten "gickerig" machte.

WK's bei der Fl Fk Kp 3 in Stans/Stansstad (1965-67)

In der Zeit zwischen 1965 und 67 war ich in der Fl Fk Kp 3 im Raume Stans/Stansstad eingeteilt. Es war die Zeit der Hauptleute Schwyzer und Mösli.

Von Stans resp. Stansstad gingen wir in den Einsatzpausen nicht nur auf den Bürgenstock, um im Schwimmbad eines 5-Stern-Hotels zu baden und sünnele, sondern Abends regelmässig mit der Eisenbahn nach Luzern in den Kursaal zum Tanz.

Vom Leutnant zum Oberleutnant
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1974: Oblt Max Lehmann der Fl Fk Kp 8

WK's bei der Fl Fk Kp 8 in Erstfeld und Seedorf (1969-1995)

Ab 1969 bis zu meiner Entlassung aus der Dienstpflicht Ende 1995 war ich in der Fl Fk Kp 8 eingeteilt mit den Standorten Erstfeld und Seedorf. Meinen letzten WK machte ich im Herbst 1986 in Seedorf.

In dieser Zeit hatte ich mehrere Kp Kdt. A. Thoma, Geiger, Gilbert Maeder, Kurt Wullschleger und schlussendlich Kurt Christen.

Erstfeld blieb unvergesslich, denn es war in der Zeit der "Hot-Pants" (heisse, ultrakurze Shorts). Ich war im Hotel-Restaurant Frohsinn untergebracht. Die Tochter des Hauses und Servier-Tochter trug solche heissen Höschen. Alle Offiziere und Uof. machten ihr den Hof. Sie blieb aber unnahbar und heiratete schliesslich einen Einheimischen.

Auf den 1. Jan. 1970 wurde ich zum Oberleutnant befördert und erhielt auch etwa 1 Franken mehr Sold.

Im 1972 nahmen wir Offiziere der Fl Fk Kp 8 an den AMEF (Armee-Meisterschaften der Fliegertruppen) teil. Disziplinen waren Gruppen-Orientierungslauf, Pistolen-Schiessen und Hindernis-Schwimmen. Wir wussten, dass wir keine Chance gegen die Piloten hatten, die auch die ersten Plätze belgten. Aber wir waren schlussendlich besser als die erste Flab-Kompanie und das war hervorragend. Wir konnten jeden Tag trainieren. Vorallem im Pistolen-Schiessen waren wir Spitze. Ich konnte sogar einen 9er korrigieren. Im OL kämpften wir an der Spitze mit, indem wir uns beim Suchen der Posten aufteilten. Das Schwimmen war dann aber schon heftiger, weil es galt im Tenue Blau einen Hindernis-Parcour zu durchschwimmen.

1972 Teilnahme an der AMEF: Lt Vollmeier, Hptm Geiger, Oblt Lehmann, Lt Wiher
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In Seedorf am Ende des Urner-Sees war ich oft im WK. Das Dorf selber war fad. Ich glaube, es gab nur 1 oder 2 Restaurant. Dort waren die Uofs untergebracht. Die Soldaten schliefen in der Bauernschule. Wir Offiziere waren Fremdkörper. Wir fuhren meistens mit dem Kp-PW in einen der umliegenden Orte nach Attinghausen, Erstfeld, Bauen etc. Nachdem in Seedorf eine Tennishalle gebaut wurde, war ich oft dort anzutreffen.

In einem meiner letzten WK's, ich war ein "alter" Oberleutnant, sollte ich einen welschen Zug übernehmen. Ich wehrte mich heftig dagegen, denn mein Französich war himmeltraurig, aber kein anderer wollte sich dies antun. Also fügte ich mich und löste die Aufgabe auf meine Weise. Ich einigte mich mit dem französisch-sprechenden Zug: Ich sprach English, die Soldaten Französisch. Dies klappte ausgezeichnet. Ich hatte selten vorher einen Zug, der mich derart akzeptierte und mochte. Die Inspektion vor dem Regiments-Kdt. war zum schreien Er kannte mein Sprach-Problem, aber er wollte meine Lösung sehen. Wir exerzierten in englisch, wie ich es in amerikanischen Filmen gesehen und auch geübt hatten. Dabei fehlten auch nicht Show-Elemente. Sein Applaus war mir gewiss!

Zusammen-Arbeit mit Hptm Kurt Christen
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1985 im Kp Büro mit Hptm Christen

1985 Im Kampfanzug mit Hptm Christen

An einem meiner letzten WKs habe ich von Sandoz einen der ersten PC's samt Drucker mitgebracht und damit die KMob-Unterlagen verfasst. Die Anlage war eine grosse Hilfe, denn damit konnte ich jederzeit korrigieren und die notwendigen Kopien problemlos ausdrucken. Früher mussten nach dem Ormig-Verfahren, einer Art Hektographie, auf blaue Matritzen geschrieben werden. Ab dem Durchschlag konnte man je nach Qualität der ORMIG-Matritzen bis zu 100 Kopien in blauer Schrift ausdrucken. Die grosse Schwierigkeit bestand im korrigieren. Dies war schwierig und sehr aufwendig. Dieses Verfahren wurde durch die Kopier-Technik nach der XEROX und der Laser-Methode abgelöst

Meinen letzten WK leistete ich im Herbst 1986 in Erstfeld. Ich war damals 44 Jahre alt. Ich aktualisierte mit dem PC-350 die KMob-Unterlagen.

 

WK 1985 in Erstfeld, mein zweit-letzter
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Nahkampfkurs auf der Luziensteig (13. - 22. Feb. 1967)

In unsere Kompanie brauchten wir für das Handgranaten-Werfen einen besonders ausgebildeten Offizier. Ich meldete mich dazu und erhielt das Aufgebot in den 2-wöchigen Nahkampfkurs in der Luziensteig hoch über Sargans.

Beim Eintritt bekamen wir unzählige Reglemente über alle Arten von Waffen und Sprengkörper. Diese sollten wir bis zur Abschlussprüfung lernen und beherrschen. Meine Kollegen kamen alle mit wenigen Ausnahmen aus Kampf-Einheiten und kannten diese Waffen. Für mich war alles neu.

Die Zeit hätte nie gereicht, dass ich all dies lernen konnte. Mir kam eine Angina zu Hilfe. In der Tat erkrankte ich nach 1 Wochen an fiebriger Angina und musste nach 2 Tagen im Krankenzimmer den Kurs abbrechen und nach Hause fahren.

Ich verbrachte aber denoch die 1. von 2 Wochen auf der Luziensteig. Das Training war hart. Es galt Blindgänger zu vernichten, aber wir machten auch Gruppengefechte mit scharfer Munition und Handgranaten, wie ich es nicht einmal aus der Offiziersschule kannte. Faszinierend aber auch die Abseil-Uebungen von einer Burgruine etwa 20 m der Wand hinunter.

31. Dez. 1995: Entlassung aus der Wehrpflicht

31. Dez. 1995: Anlässlich meines 53.-Geburtstages wurde ich aus der militärischen Dienstpflicht entlassen. Ich absolvierte 865 Diensttage. Ausrüstungsgegenständige wie Gasmaske, Helm und Pistolen-Munition musste ich anfangs 1996 im Zeughaus abgeben. Die Pistole, den Offiziersdolch und die persönliche Offiziersuniform durfte ich behalten.

 

Autobiografie von Max Lehmann
Schafmattweg 13, CH-4102 Binningen
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